AIDA im Neuromarketing

AIDA im Neuromarketing

AIDA. Marketingfachleute wissen, dieses Kürzel steht für Attention – Interest – Desire – Action und beschreibt die wahrscheinlich berühmteste Theorie der Werbewirksamkeit. Ich selbst – das ist kein Geheimnis – bin kein großer Freund des AIDA Modells. Da ich aber vor kurzem auf eine interessante neuroökonomische Studie gestoßen bin, die sich zumindest mit Teilen des AIDA Modells auseinandersetzt und mittels neurowissenschaftlicher Methoden zeigt, dass die beiden A-Komponenten, Attention und Action, ihre Berechtigung haben, hat das AIDA Modell auch hier eine Erwähnung verdient.

AIDA – das Wichtigste in Kürze

Die Grundannahme des AIDA Modells ist, dass jeder Kunde vier Phasen durchlaufen muss, um zu einer Kaufentscheidung zu gelangen. Das Produkt muss seine Aufmerksamkeit erregen (Attention) und sein Interesse wecken (Interest), um ein Verlangen nach dem Produkt auszulösen (Desire) und schließlich zum Kauf führen zu können (Action). Es wird als hierarchisches Stufenmodell interpretiert, was bedeutet, dass jede Stufe durchlaufen werden muss und zwar in exakt dieser Reihenfolge. Allerdings ist bei jedem Übergang von einer Stufe zur nächsten mit einem gewissen Verlust zu rechnen – nicht jeder, der auf ein Produkt aufmerksam wird, interessiert sich auch für das Produkt, nicht jeder, der sich für das Produkt interessiert, entwickelt ein Verlangen danach, usw.

Die Studie

Lin, Grewal, Morin, Johnson und Zak (2013) gingen in ihrer Studie der Frage nach, wie sich die beiden A-Komponenten des AIDA Modells endokrinologisch darstellen lassen. Anders ausgedrückt: Welche Hormone spielen bei Aufmerksamkeit und Handlung eine Rolle?

Salih Ucar / pixelio.de

Salih Ucar / pixelio.de

Hierzu führten die Forscher zwei interessante Experimente durch, in denen Versuchspersonen public service advertisements, also letztendlich Spendenaufrufe gezeigt bekamen. Für Experiment 1 wurde der einen Hälfte der Versuchspersonen vor Beginn der Spotpräsentationen Oxytocin verabreicht, ein Hormon, das gern als “Kuschelhormon” bezeichnet wird und dafür bekannt ist bei sozialem Bindungsverhalten, vor allem in der Mutter-Kind Beziehung eine entscheidende Rolle zu spielen. Die andere Hälfte der Probanden bekam ein Placebo.

Wurden die Versuchsteilnehmer nun nach jedem Werbespot gefragt, ob sie von dem Geld, das sie für die Versuchsteilnahme erhalten sollten, einen Teil der beworbenen Sache zukommen lassen wollen würden, spendeten die Probanden der Oxytocin Gruppe häufiger und mehr Geld als die Probanden der Placebo Gruppe. In den Begriffen des AIDA Modells ausgedrückt: Verabreichten die Forscher Oxytocin, führte dies mit höherer Wahrscheinlichkeit zur Handlung (Action).

Für Experiment 2  wählten die Forscher ein etwas anderes Vorgehen: Bevor und nachdem der Spendenaufruf gezeigt wurde, wurde von den Probanden je eine Blutprobe entnommen, um untersuchen zu können wie viel natürliche Oxytocin- und Adrenocorticotropinproduktion durch den Werbespot ausgelöst wurde. Die gemessenen Hormonkonzentrationen wurden dann ins Verhältnis zur Geldspende gesetzt, um die wechselseitigen Beziehungen abbilden zu können. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Adrenocorticotropin aus früheren Studien dafür bekannt ist, die Aufmerksamkeit zu mediieren. Seine Hauptaufgabe ist den Organismus darauf vorzubereiten, schnell auf Veränderungen in der Umwelt reagieren zu können. Die Autoren sehen im Adrenocorticotropin daher ein physiologisches Korrelat der Attention-Komponente des AIDA Modells.

Lupo / pixelio.de

Lupo / pixelio.de

Die Ergebnisse von Lin und Kollegen (2013) legen nahe, dass – für sich allein genommen – weder natürliches Adrenocorticotropin noch natürliches Oxytocin einen Einfluss auf das Spendenverhalten haben. Das mag nach den Ergebnissen von Experiment 1 überraschen, macht aber durchaus Sinn, da natürliches Oxytocin natürlich in viel geringeren Konzentrationen vorkommt, als bei experimentellen Manipulationen. Und genau hier kommt erneut das AIDA Modells in Spiel.

Das AIDA Modell sagt vorher, dass die vier Stufen hierarchisch organisiert sind. Aufmerksamkeit allein führt demnach nicht zur Handlung, und eine (Kauf-)Handlung setzt unbedingt vorherige Aufmerksamkeit voraus. Basierend auf diesen Modellüberlegungen stellten die Autoren einen zweiten Vergleich an, indem sie das Spendenverhalten von Probanden, die nach dem Spot eine Höhere Konzentration beider Hormone aufwiesen, mit dem Spendenverhalten von Probanden, auf die dieses Kriterium nicht zutraf, kontrastierten. Das Erstaunliche: Lagen beide Hormone in erhöhter Konzentration vor, wurde also den Annahmen des AIDA Modells entsprochen, spendeten die Probanden 261% mehr Geld.

Fazit

Das AIDA Modell mag alt und mehrfach überholt worden sein – nichts desto Trotz sind seine Vorhersagen immer noch gut, um selbst endokrinologische Effekte in Bezug auf die Werbewirksamkeit von Spendenaufrufen zu erklären. Auch wenn es sich bei der Studie von Lin und Kollegen (2013) mal um ein Beispiel der neuroökonomischen Forschung handelt, die bestehende Annahmen des Marketing nur bestätigt, nicht erweitert, ist es doch interessant zu sehen, wie spezifische Hormone konkretes Spendenverhalten beeinflussen.

Ob diese Ergebnisse zum Spendenverhalten so 1 zu 1 auf klassisches Kaufverhalten anwendbar sind, ist allerdings eine noch offene Frage…

Nachtrag

In meinem Beitrag über die Möglichkeiten, Konsumenten mittels Neuromarketing direkt zu beeinflussen, habe ich Hormonpräparate als den einzigen Weg zur direkten Konsumentenbeeinflussung bezeichnet, der wahrscheinlich effektiv und zugleich praktikabel ist. Die hier präsentierten Ergebnisse sind nun der nachgereichte Beweis: Die Gabe eines einzelnen Hormons hatte einen messbaren Einfluss auf das Spendenverhalten, und ich würde vermuten, dass auch allgemeines Kaufverhalten mittels Hormongabe direkt beeinflussbar ist. Wie dies ethisch zu bewerten wäre und ob eine solche Beeinflussung legal ist, kann ich nicht beurteilen – sie ist aber in jedem Fall möglich.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Das AIDA Modell der Werbewirksamkeit nimmt an, dass jeder Kunde genau vier Stufen durchlaufen muss, damit es zum Kauf kommt: Aufmerksamkeit, Interesse, Verlangen, Handlung. Eine aktuelle Studie untersucht, welche Hormone an den Prozessen Aufmerksamkeit und Handlung beteiligt sind und testet, ob tatsächlich erst ihr Zusammenspiel tatsächliche monetäre Transaktionen vorhersagen.

Referenzen

Lin, P.-Y., Grewal, N. S., Morin, C., Johnson, W. D., & Zak, P. J. (2013). Oxytocin Increases the Influence of Public Service Advertisements. PLoS ONE 8(2): e56934.

 

Artikelbild von S. Hofschlaeger / Pixelio.de