Alter Wein, neue Schläuche: Preise als Qualitätsmerkmal

Alter Wein, neue Schläuche: Preise als Qualitätsmerkmal

Wenn man den Otto-Normal-Verbraucher fragt, worauf er beim Einkauf achtet, dann ist die Antwort meistens: “Auf den Preis.” Und neurowissenschaftliche Studien belegen tatsächlich, dass die der Preiswahrnehmung zugrunde liegenden neuronalen Prozesse zu einem gewissen Teil vorhersagen können, ob ein Produkt gekauft wird, oder nicht. Das Bemerkenswerte: Hohe Preise werden in der öffentlichen Wahrnehmung eigentlich stets mit einer Verringerung der Kaufwahrscheinlichkeit assoziiert.

Dabei kann ein hoher Preis bisweilen durchaus als Indikator für hohe Qualität interpretiert werden – mit bemerkenswerten Folgen.

Wie gut schmeckt teurer Wein?

Eine im Jahr 2008 erschienene Studie von Hilke Plassmann und Kollegen ging der Frage nach, wie sich die Preiswahrnehmung auf das Konsumerlebnis selbst auswirkt. Hierzu bat sie ihre Studienteilnehmer zu einer besonderen Weinprobe: Über ein Schlauchsystem bekamen die Probanden, die während des Versuchs in einem fMRT Scanner lagen, kleine Mengen verschiedener Weine verabreicht, die sie anschließend hinsichtlich ihres Geschmacks bewerten sollten. Während jeder Weinprobe wurde zudem der Ladenpreis des jeweiligen Weins visuell präsetiert, sodass die Probenden die insgesamt fünf Weine auseinander halten konnten.

Preiswahrnehmung als Merkmal für QualitätRainer Sturm / pixelio.de

Preiswahrnehmung als Merkmal für Qualität
Rainer Sturm / pixelio.de

Was die Probanden nicht wussten: Sie bekamen nicht fünf verschiedene Weine zu trinken, sondern nur drei – zwei davon jedoch einmal unter Angabe des tatsächlichen Ladenpreises und einmal unter Angabe eines wesentlich höheren/niedrigeren Preises. Dies ermöglichte den Forschern den Einfluss der Preiswahrnehmung unabhängig vom tatsächlichen Produkt zu untersuchen.

Die der Untersuchung zugrunde liegende Annahme war relativ simpel: Wenn Preise als Zeichen für Qualität interpretiert werden, dann sollte man entsprechende neuronale Akivierungsunterschiede beim Vergleich hochpreisiger mit billigen Weinen entdecken können…

Die Preiswahrnehmung beeinflusst sogar den Geschmack!

Hochpreisige Geschmackstests – unabhängig davon, dass ja eigentlich mehrheitlich der gleiche Wein verabreicht wurde – aktivierten im Vergleich zur preiswerten Kontrollbedingung den beidseitigen (in der Fachsprache: bilateralen) medialen Orbitofrontalkortex, sowie Teile des anterioren cingulären Kortex. Beide Strukturen sind aufmerksamen Lesern dieses Blogs bereits bekannt, der Orbitofrontalkortex aus dieser Studie, der anteriore cinguläre Kortex aus dieser, an der Frau Plassmann ebenfalls beteiligt gewesen ist.

Das Interessante: Aktivität im medialen Teil des Orbitofrontalkortex ist nicht unbedingt mit der Erwartung von Qualität, also angenehmen oder belohnenden Eigenschaften assoziiert. Hier wäre eher der Nucleus Accumbens zu nennen. Der mediale OFC, so die offizielle Abkürzung, ist beteiligt am Erleben positiver Gefühle und an der Bestimmung relativer Werte.

Die neuronale Aktivität beim Vergleich von hoch- versus niedrigpreisigen Weinen deutet auf wahrgenommene Qualitätsunterschiede hin, selbst dann wenn eigentlich der objektiv gleiche Wein verkostet wird – wenn auch anders ausgepreist. Die Angaben der Probanden, die bei jedem Durchgang mit erhoben wurden, bestätigen diese Interpretation. Die Einschätzung wie sehr die Probanden die jeweilige Weinprobe mochten wies einen signifikanten Zusammenhang mit der Aktivität im medialen OFC auf, was beweist, dass hochpreisige Weine als geschmacklich besser empfunden wurden. Die Hirnregionen, die für die Wahrnehmung (nicht Bewertung!) von Geschmackseindrücken zuständig sind, wiesen jedoch keinen Effekt auf. Dies kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass unser Gehirn durchaus erkennt, dass sich der Geschmack der Weine nicht unterschied. Im Ergebnis bewertete es den hochpreisigen Wein aber dennoch als besser.

Die Bewertung der geschmacklichen Intensität, der zweiten direkten abgefragten Variable, wurde nicht durch die Preiswahrnehmung beeinflusst.

Ein Fazit zum Zusammenhang zwischen Preiswahrnehmung und empfundener Qualität

Dass Preiswahrnehmung und -bewertung durch externe Faktoren beeinflussbar sind, habe ich schon vor über einem Jahr beschrieben. Die Studie von Plassmann et al. (2008) beweist darüber hinaus, dass der Preis einen Einfluss darauf hat, welche Qualität wir bei einem Produkt erwarten und auch welche Qualität wir wahrnehmen. Billiger Wein in teueren Schläuchen schmeckt also offensichtlich besser als wenn er in Tetra Paks serviert wird.

Ein weiterer Beweis dafür, dass Marketing wirkt.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Ein hoher Preis verkleinert die Zahl potenzieller Kunden, sendet aber auch positive Signale im Sinne einer zu erwartenden hohen Produktqualität. Die Studie von Plassmann et al. (2008) beweist, dass die Preiswahrnehmung einen Einfluss auf die Qualitätswahrnehmung hat: Je höher der Preis, desto besser bewerten wir ein objektiv gleichwertiges Produkt.

Referenzen

Plassmann, H., O’Doherty, J., Shiv, B. & Rangel, A. (2008). Marketing actions can modulate neural representations of experienced pleasantness. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 105(3), 1050-1054.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Peter_Pleischl / pixelio.de