Das Belohnungssystem und seine Bedeutung fürs Marketing

Das Belohnungssystem und seine Bedeutung fürs Marketing

Interessiert man sich als Neurowissenschaftler für Marketing, ist das wie eine Reise in ein anderes Land. Marketer denken anders als Neurowissenschaftler, sie verfolgen andere Ziele, sie sprechen eine andere Sprache. Doch genau wie zwei benachbarten Ländern gibt es auch zwischen Neurowissenschaft und Marketing eine Grenze, an der die Unterschiede verschwimmen:

Das Belohnungssystem

Anders als oft angenommen, beschreibt der Begriff “Belohnungssystem” nicht eine einzige Hirnstruktur, sondern ein Netzwerk, also eine Reihe miteinader verbundener Strukturen. Diesen ist zum einen ihre ventrale Lage gemein, das heißt sie liegen vor allem im stirnseitigen Teil des Gehirns (siehe Abbildung). Zum anderen, und das ist ihr definierendes Merkmal, weisen das Striatum, die ventrale tegmentale Area, der Präfrontalkortex sowie der berühmte Nucleus Accumbens, der im vorderen (ventralen) Teil des Striatums liegt, eine hohe Dichte dopaminsensitiver Rezeptoren auf.

Belohnungssystem

dopaminerge Neuronen im menschlichen Gehirn:
Das Belohnungssystem

Insgesamt trifft dies auf nur etwa 1% aller Neurone zu (Arias-Carrión, Stamelou, Murillo-Rodríguez, Menéndez-González & Pöppel, 2010). Diese haben jedoch einen ganz grundlegenden Einfluss auf unser Entscheidungsverhalten.

Dopamin ist einer der wenigen Neurotransmitter, denen relativ eindeutig eine bestimmte psychologische Funktion zugeordnet werden kann: Belohnung (Ariely & Berns, 2010). Das gute Gefühl, das wir erleben, wenn wir uns etwas gönnen (z.B. Schokolade), wenn eine Handlung zum Erfolg führt, wenn wir schöne Dinge betrachten, all das wird begleitet durch Dopamin Ausschüttungen im Nucleus Accumbens. Zudem wird Dopamin schon dann ausgeschüttet, wenn wir eine Belohnung nur erwarten, wie Jaak Panksepp (2004) gern betont. Er spricht deshalb auch nicht von einem Belohnungs-, sondern von einem Belohnungs-Such- oder SEEKING System (siehe hier).

Aber egal wie er nun im Detail aussehen mag, der Zusammenhang zwischen einem belohnenden Gefühl und Aktivität im dopaminergen System, der mich auch dazu verleitet hat zu behaupten, Werbung und Konsum könnten durchaus kurzzeitig glücklich machen, ist unumstritten.

Die Bedeutung des Belohnungssystems fürs Marketing

Zahlreiche Untersuchungen, von denen ich nicht wenige bereits vorgestellt habe (z.B. hier und hier), belegen, dass das Belohnungssystem einen grundlegenden Einfluss auf das menschliche Entscheidungsverhalten, auch und vor allem bei Kaufentscheidungen hat. Je eher wir erwarten durch den Konsum eines bestimmten Produkts belohnt zu werden, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir auch Geld dafür ausgeben.

Dieser Zusammenhang ist auch dafür verantwortlich, dass immer wieder die Annahme eines “Kaufknopfes” im Gehirn durch die Medien getrieben wird.

Nach derzeitigem Stand der Forschung kann man jedoch davon ausgehen, dass der Zusammenhang zwischen Aktivität im Belohnungssystem und einem tatsächlichen Kauf am point of sale etwas komplexer ist, als es die Metapher des Kaufknopfes nahelegt. Um es klarzustellen: Ja, starke Aktivität im Belohnungssystem wirkt sich positiv auf die Kaufintention von Konsumenten aus. Sie ist aber nicht der alleinige bestimmende Faktor und kann durchaus unter bestimmten Bedingungen an Bedeutung verlieren. Hohe Preise, beispielsweise, verringern nicht etwa die Aktivität im Belohnungssystem, sie führen zu Verstärkter Aktivität in der Insula und verringern die Kaufwahrscheinlichkeit (Knutson, Rick, Wimmer, Prelec & Loewenstein, 2007). Kaufentscheidungen sind multikausal – das Belohnungssystem ist dabei zwar ein wichtiger Faktor, aber eben nur einer unter vielen.

Wird bei einer Neuromarketing Studie Aktivität im Nucleus Accumbens nachgewiesen, ist das in jedem Fall ein gutes Zeichen. Allerdings bedarf es hierzu einer fMRT Studie, da die räumliche Auflösung des preiswerteren EEGs nicht ausreicht, um Aktivität in einem so kleinen Areal zuverlässig zu messen.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Das Belohnungssystem, ein neuronales Netzwerk dopaminerger Zellen im stirnseitigen Teil des Gehirns, ist immer dann aktiv, wenn Menschen etwas Belohnendes erleben oder erwarten. Seine Bedeutung für die Entscheidungsfindung und damit fürs Marketing ist unbestritten. Allerdings ist es nicht der einzige Prädiktor für Kaufentscheidungen. Bekanntester Teil des Belohnungssystem: der Nucleus Accumbens.

Referenzen

Arias-Carrión, O., Stamelou, M., Murillo-Rodríguez, E., Menéndez-González, M. & Pöppel, E. (2010). Dopaminergic reward system: a short integrative review. International Archives of Medicine, 3:24.

Ariely, D. & Berns, G. S. (2010). Neuromarketing: The hope and hype of neuroimaging in business. Nature Reviews Neuroscience, 11, 284-292.

Knutson, B., Rick, S., Wimmer, E., Prelec, D. & Loewenstein, G. (2007). Neural predictors of purchases. Neuron, 53, 147-156.

Panksepp, J. (2004). Affective Neuroscience: The Foundations of Human and Animal Emotions. Oxford: University Press

 

Beitragsbild auf der Grundlage eines Fotos von Rainer Sturm / pixelio.de