
Das Emotiv EPOC – ein kritischer Review (Video)
[Update: 02.06.2015] Endlich gibt es auch erste empirische Untersuchungen zur Qualität des Emotiv EPOC. Grummett et al. (2015) untersuchten das Emotiv im Vergleich zu zwei anderen EEG Systemen, und im Ergebnis schnitt es gar nicht schlecht ab. Der entsprechende Artikel ist frei verfügbar und kann hier gelesen werden.
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Neuromarketing beruht zu einem großen Teil auf empirischen Untersuchungen am Konsumenten – wenn möglich unter realitätsnahen Bedingungen und ohne Einschränkung des Testkunden. Das bedeutet, dass das zum Einsatz kommende Equippment möglichst leicht, unauffällig und variabel einsetzbar sein sollte – Anfoderungen, die von den meisten wissenschaftlichen Messgeräten nicht erfüllt werden können.
Umso freudiger nahm die internationale Neuromarketing Community zur Kenntnis, dass die Firma Emotiv Systems vor einigen Jahren mit dem Emotiv EPOC ein tragbares, leichtes und vor allem preiswertes EEG System auf den Markt brachte.
Das erste massentaugliche EEG Gerät fand schnell Verbreitung – in wissenschaftlichen Kreisen, wie auch in der Neuromarketing Praxis. Allerdings gehen die Meinungen über die Tauglichkeit des Geräts sehr weit auseinander. Funktioniert das Emotiv EPOC genauso gut, wie ein herkömmliches EEG? Kann man den Daten trauen? Erlauben die Ergebnisse zuverlässige Vorhersagen?
Zeit für einen kurzen Erfahrungsbericht.
Das Emotiv EPOC an der Freien Universität Berlin
Im Rahmen meiner Arbeit für das Center for Applied Neuroscience konnten wir im Sommer 2013 ein Emotiv EPOC erwerben und in der Folge testen. Eine detailierte Beschreibung des Kaufprozesses erspare ich euch lieber, da es schwer ist festzustellen, an welcher Stelle der Informationsfluss gestört wurde. Nur so viel: Ab der ersten Aufgabe der Bestellung hat es über zwei Monate gedauert, bis ich das gute Teil in Händen hielt.
Das gute Teil?
Nun, leider muss ich gestehen, dass wir es bis heute nicht geschafft haben auch nur einen wirklichen Datensatz mit dem Emotiv aufzuzeichnen. Mittlerweile haben zwei wissenschaftliche Mitarbeiter und eine Praktikantin versucht, das Gerät zuverlässig zum Laufen zu bringen – ohne Erfolg. Entweder bricht die Bluetooth Verbindung zwischen dem EEG und dem Aufnahmerechner zusammen, oder die mitgelieferten Elektroden liefern ein Signal, das selbst von der mitgelieferten Software als Artefakt klassifiziert wird.
Das einzige, ws wir hinbekommen haben, ist eine relativ zuverlässige Anzige, ob unsere Versuchspersonen die Augen offen oder geschlossen hat. Aber auch die war nicht perfekt und ist psychologisch natürlich vollkommen uninteressant.
Für uns hat sich der Kauf des Emotiv EPOC also nicht gelohnt.
Hörensagen: Berichte aus anderen Laboren
Wie man vielleicht raushört, sind wir von dem Gerät, das bei uns im Regal steht, relativ enttäuscht. Wir wissen nach zahlreichen Gesprächen mit anderen Labors aber auch, dass die Produktionsqualität des Emotiv starken Schwankungen unterliegt. Es gibt nämlich durchaus auch positive Berichte, die einem zu Ohren kommen.
Unsere Kooperationspartner in Marseille nutzen das Emotiv beispielsweise auf öffentlichen Veranstaltungen, um potenziellen Probanden die Angst vor der Technik zu nehmen. Das Emotiv ist sehr schnell einsatzbereit, und wenn es erstmal läuft, was in Marseille wohl kein Problem zu sein scheint, kann man damit witzige Demonstrationsexperimente machen.
Beispielsweise kann man Objekte in einem Computerspiel schweben lassen, wie in folgendem Werbevideo zu sehen:
Allerdings sind die meisten der gezeigten Anwendungen eher Spielereien ohne wissenschaftlichen Wert. Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit eines EEG Geräts müssen nicht besonders hoch sein, um solche Anwendungen zu ermöglichen. Für Marktforschung – Neuromarketing – sind ganz andere Qualitätsstandards zu erfüllen.
Stefan Debener von der Universität Oldenburg ist einer der wenigen seriösen Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit der Leistungsfähigkeit des Emotiv EPOC auseinandergesetzt haben. Sein Urteil, das er in einem Fachforum zu wissenschaftlichen EEG Geräten veröffentlicht hat (siehe hier), lautet wie folgt:
Event timing using the original Emotiv testbench software is indeed poor, and to some extent this is due to the relatively low sampling rate implemented. However, using OpenVibe we finally got pretty reasonable ERPs out of the Emotiv amplifier, allowing us to study auditory oddball P300 single-trial discrimination even while subjects walk freely outdoors. However, I should say that our experience with the original Emotiv headset is, well, moderate at best. In our experience a much better signal quality can be obtained by connecting the Emotiv amp to proper sintered AgAgcl electrode caps.
Eine Anleitung zum Bau eines besseren EEGs liefert er gleich mit.
Die Gretchenfrage: Ist das Emotiv für Neuromarketing zu empfehlen?
Ich bin ein Freund klarer Worte: Meiner Meinung nach nicht.
Das Emotiv ist ein schönes Spielzeug, ein Demonstrationstool, vielleicht auch zukünftig fürs Gaming oder den Hausgebrauch nutzbar.
Die Zukunft meines Unternehmens würde ich jedoch nicht auf Daten aufbauen, die mit dem Emotiv erhoben wurden. Neuromarketing mit dem Emotiv ist in meinen Augen nicht seriös, um Firmen, die diese Hardware einsetzen, würde ich einen Bogen machen.
Es gibt genügend Alternativen.
Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern
Das Emotiv EPOC ist ein sehr preiswertes EEG System. Für den Hausgebrauch, zum Gaming oder zu Demonstrationszwecken kann es sicherlich eingesetzt werden. Allerdings ist die Datengewinnung in meinen Augen nicht zuverlässig genug, um einen Einsatz zu wissenschaftlichen Zwecken zu rechtfertigen. Neuromarketinganbieter tun gut daran, sich bessere Hardware zu beschaffen.
Hallo, du sagst: “Es gibt genügend Alternativen” welche sind das?
Gruß
Karin
Hallo Karin,
das mit den Alternativen war auf Neuromarketing Unternehmen bezogen, die mit besserem Equippment arbeiten als dem Emotiv. Meine Neuromarketing Firma arbeitet zum Beispiel nur mit Geräten, die neurowissenschaftlichen Standards genügen.
Wenn du selbst ein EEG kaufen willst und nach Alternativen zum Emotiv suchst, wäre es gut zu wissen, was du damit vorhast. Dann kann ich dir vielleicht ein weiterhelfen. Es hängt aber sehr vom Budget und vom Einsatzzweck ab, weches EEG ich verwenden würde.
Zum rumspielen und ausprobieren ist das Emotiv beispielsweise hervorragend.
Lieben Gruß,
Benny
Hallo
Ich interessiere mich auch für ein Gerät, mit dem man die Hirnfrequenzen messen und aufzeichnen kann. Da bei mir ein ADS festgestellt wurde, dachte ich, mit einem Heimgerät etwas tun zu können, um etwas mehr Ordnung im Kopf zu machen. Eben einfach Neurofeedbacktraining zu Hause. Daher dachte ich, daß der Emotiv ein Gerät wäre, das man dafür benutzen könnte. Nachdem ich Ihren Beitrag gelesen habe, bin ich etwas verunsichert. Gibt es Alternativen, zu denen Sie raten würden? Ich habe noch “Muse” und Neurosky im Netz gesehen, dachte aber, daß diese weniger Sensoren haben und deshalb auch weniger Informationen liefern.
Über eine Rückmeldung würde ich mich freuen.
Beste Grüße
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
was Neurofeedback angeht muss ich mich erstmal schlau machen. Gut möglich, dass das Emotiv dafür gut genug ist, dafür kenne ich mich zu wenig mit den neuronalen Grundlagen deines Störungsbilds aus. Aber ich schau mal, ob ich etwas passendes finde.
In jedem Fall finde ich es cool und sehr löblich, dass du selbst die Initiative ergreifst und nicht nur zu Medis greifst. In vielen Fällen wurde klinisch nachgewiesen, dass Neurofeedback gute bis sehr gute Ergebnisse liefert. Ob das auch bei ADS der Fall ist, weiß ich aber nicht.
Wie gesagt, ich mach mich schlau und melde mich nochmal.
Lieben Gruß,
Benny
Hi,
der Artikel ist nun zwar schon etwas älter, allerdings würde ich mich genau wie Wolfgang dafür interessieren, ob sich das Headset für Biofeedbacktraining eignen würde.
Es würde mir genau aus den gleichen Gründen eine große Hilfe sein können.
Falls dazu also jemannd Neuigkeiten haben sollte würde ich mich freuen davon zu hören.
Grüße
Alex
Hallo Alexander,
Asche auf mein Haupt, dass ich bisher nichts geschrieben hatte. Leider ist es tatsächlich kein einfaches Feld, und auch für mich ist es nicht so leicht seriöse Anbieter von schwarzen Schafen zu unterscheiden.
Ein Anbieter, mit dem ich vor vielen Jahren mal Kontakt hatte, ist der hier: https://www.mindfield.de/de/Neurofeedback/
Keine Ahnung was die Kosten, aber zumindest technisch waren deren Geräte einwandfrei.
Im low-cost Bereich habe ich ansonsten viel gutes von MUSE gehört: http://www.choosemuse.com/
Die sind spezialisiert auf Meditiation, aber soweit ich weiß gibt es auch einige Unternehmen, die darauf aufbauend versuchen Neuro-Feedback zu ermöglichen. An der FU oder HU Berlin wird beispielsweise gerade soetwas entwickelt.
Und dann gibt es noch hier neue Entwicklungen, die müssten sich eigentlich relativ gut in diesem Feld auskennen: http://nclogics.de/
Ich hoffe das hilft ein bisschen weiter.
Liebe Grüße,
Benny
Hallo, ich würde sehr gerne wissen was es für bessere Headsets gibt die man sich irgendwie kaufen oder bauen kann. Also ich meine nur Gedankenerkennung keine Gehirnaktivitäten Messung. Preislich erstmal relativ egal. Vieleicht unter 3000Euro. Hauptsache gut. Vielen vielen dank für eine Antwort!
LG Simon
Hallo Simon,
vielen Dank für deinen Kommentar. Mal schauen in wie weit ich dir helfen kann.
Ich weiß leider nicht genau, was du mit “Gedankenerkennung” meinst. Jedes EEG misst erstmal Hirnströme (oder versucht es zumindest). Wirkliche Gedanken kannst du damit nicht erkennen. Mit keinem EEG der Welt.
Was du messen kannst – je nach System unterschiedlich gut – sind verschiedene kognitive Prozesse wie Aufmerksamkeit, Gedächtnisaktivität, usw.
Wenn dir der Preis egal ist, dann würde ich momentan das DSI7 von wearable sensing empfehlen. Kostet so um die 8000 Dollar und ist ein wirklich gutes EEG System (http://wearablesensing.com/). Ich nutze es selbst und bin hochgradig zufrieden.
Wenn es unter 3000 Euro sein soll, ich habe gute Dinge über das muse gehört (http://www.choosemuse.com/), auch wenn ich es selbst noch nie benutzt habe. Keine Ahnung wie gut die Daten da sind, aber es ist in jedem Fall ein sehr preiswertes System.
Ich hoffe das hilft dir ein bisschen weiter.
Was genau hast du denn vor, wenn ich fragen darf?
Liebe Grüße,
Benny
Danke für ihre Antwort . Ich meine so ein headset mit dem man sowas machen kann wie mit emotiv epoc. Also Computer steuern und sowas in der art (nicht nur konzentrations Helfer).Bloß halt genauer als das emotiv. Ist das headset für 300€ eig. auch für computersteuerung gedacht?Vielen Dank für ihre Antwort
Hallo Simon,
ich muss gestehen, im bereich Gaming kenne ich mich, was EEGs angeht, überhaupt nicht aus. Meines Wissens werden für die Gaming Anwendungen im Hintergrund selbst lernende Algorithmen verwendet. Insofern ist es eigentlich egal, ob das EEG gut ist oder nicht, solange der ALgorithmus irgendetwas entdeckt, was mit der geplanten Aktion zusammenhängt (und sei es ein Augenblinzeln).
Wenn es dir also nur ums Gaming geht, würde ich das Emotiv als Ausgangslage… naja, empfehlen klingt schon zuviel des guten, aber zumindest ausprobieren würde ich es.
Ob es brauchbare Alternativen gibt, kann ich dir leider nicht beantworten.
Liebe Grüße,
Benny
Hallo! Ich würde gerne wissen, ob die genannten eeg- Systeme auch zu Kommunikatkonszwecken eingesetzt werden können. Ich habe einen Bekannten, der krankheitsbedingt komplett gelähmt ist und nur noch mit Augenbewegungen auf Ja/ Nein- Fragen antworten kann. Leider wird diese Kommunikationsmöglichkeit auch in absehbarer Zeit verschwinden. LG, Stefan