Das Pepsi Paradox aus Neuromarketing-Sicht

Das Pepsi Paradox aus Neuromarketing-Sicht

Zum einjährigen Bestehen dieses Blogs hatte ich es angekündigt: Der ewige Kampf zwischen Pepsi und Coke, den beiden erfolgreichsten Cola Herstellern, ist noch nicht entschieden. Nicht in wirtschaftlicher Sicht, denn die beiden Konzerne nähern sich in ihren Umsatzzahlen nachweislich immer weiter an. Nicht in neurowissenschaftlicher Sicht, denn die beiden Marken erfreuen sich auch in Neuroökonomischen Studien nach wie vor großer Beliebtheit.

Wir erinnern uns: In einer der bekanntesten neuroökonomischen hatte die Arbeitsgruppe um McClure und Kollegen (2004) nachgewiesen, dass Probanden die Cola von Coke bevorzugen, wenn sie wissen, dass es Coke ist, und dass dieser Effekt bei Pepsi nicht nachweisbar ist – auch nicht auf neuronaler Ebene. Über diese Studie hatte ich ausführlich berichtet.

Außerdem führte eine Arbeitsgruppe von der Berliner Charité knapp zehn Jahre später einen ähnlichen Versuch durch, bei dem Pepsi und Coke mit einer Noname und einer Fantasiemarke verglichen wurden. Kühn und Gallinat (2013) fanden dabei eine Reihe unterschiedlicher Netzwerke, die bei der Markenbetrachtung und Verkostung eine Rolle spielen. Vor allem bestätigten sie, dass es nicht das eine Hirnareal gibt, das starke von schwachen Marken unterscheidet, wie ihr hier in einer ausführlichen Besprechung ihrer Studie nachlesen könnt.

Coke und Pepsi haben sich also in der Neuroökonomie als Versuchsreize vielfach etabliert. Zeit sich an ein neues Phänomen zu wagen…

Das Pepsi Paradox: Besserer Geschmack, schlechtere Verkaufszahlen

Schaut man sich Zeitungsartikel zum Vergleich von Coke und Pepsi an, findet man häufig die Angabe, Pepsi würde bei Blindverkostungen meist besser abschneiden als sein Konkurrent. In den Studien von McClure und Kollegen (2004) und Kühn und Gallinat (2013) konnten derartige Effekte zwar nicht nachgewiesen werden – es gibt sie aber durchaus. Tatsächlich schneidet Pepsi eigentlich nie schlechter, aber durchaus ab und an mal besser ab als sein Konkurrent, wenn die Brause blind verkostet wird. Dennoch ist Coke nach wie vor der Marktführer – ein Phänomen, das als “Pepsi Paradox” in die Literatur einging.

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Zwei Forscher von der University of Iowa gingen der Frage nach, wie dieses Pepsi Paradox zustande kommt. Einen ersten Hinweis gaben ja schon die Arbeiten von McClure und Kollegen (2004), Kühn und Gallinat (2013): Während bei der Präsentation von Pepsi wenige bis keine Effekte auf neuronaler Ebene nachweisbar waren, zeigte sich für Coke stets verstärkte Aktivität in Bereichen, die mit der Verarbeitung und Berücksichtigung von Emotionen assoziiert sind. Vielleicht, so Koenigs und Tranel (2008), ist Coke einfach die emotionalere Marke, was bei Kaufentscheidungen die stärkere Berücksichtigung findet als der mutmaßlich bessere Geschmack von Pepsi?

Inspiriert von der Studie von McClure und Kollegen (2004), bei der vor allem Aktivität im sogenannten ventromedialen Präfrontalkortex die Geschmackspräferenz vorhersagen konnte, suchten Koenigs und Tranel (2008) nach Patienten, die in genau dieser Region eine Schädigung, eine sogenannte Läsion aufwiesen. Ihr Verhalten verglichen sie mit dem Verhalten von Probanden, die eine Läsion in anderen Hirnregionen hatten, und mit dem Wahlverhalten gesunder Probanden. Der ventromediale Präfrontalkortex ist bekannt dafür, emotionale Informationen bei der Entscheidungsfindung einzubinden. Menschen, deren VMPF (so die gängige Abkürzung dieser Struktur in der wissenschaftlichen Literatur) nicht intakt ist, würden vielleicht keine Markenpräferenz für Coke zeigen und somit das Pepsi Paradox erklären.

Emotionen beeinflussen Entscheidungen. Maßgeblich.

Koenigs und Tranel (2008)  gaben ihren Probanden, angelehnt an McClure und Kollegen (2004), in unterschiedlichen Bedingungen Coke und Pepsi zu trinken. In der Blindverkostung bekam jeder Proband zwei Becher zur Verkostung gereicht, ohne dass ihm gesagt wurde, welche Marke die Becher enthielten. Ein Becher war jeweils mit Pepsi gefüllt, der andere mit Coke. So konnte die objektive Geschmackspräferenz erfasst werden.

In der Halbblindverkostung wurden den Probanden ebenfalls zwei Becher gereicht.  Ein Becher war entweder klar als Pepsi oder klar als Coke markiert, der andere war nicht markiert. Die Probanden wussten also nicht, welches Getränk sich im zweiten Becher befand. Tatsächlich war es immer das gleiche wie im markierten Becher. Die Entscheidung, dass eines der beiden Getränke besser schmeckte als das andere, konnte also tatsächlich nicht auf den objektiven Geschmack, sondern vielmehr auf den Markeneinfluss zurückgeführt werden.

Das spannende: Alle drei an der Studie teilnehmenden Probandengruppen zeigten eine leichte Geschmackspräferenz für Pepsi, wenn die Cola blind verkostet wurde. 55% der gesunden Probanden, 57% der Probanden mit Läsionen außerhalb des VMPF und ganze 63% der Probanden mit Läsion im VMPF entschieden sich in der Blindverkostung für Pepsi als das bessere Getränk. Wussten die Probanden aber aufgrund der Halbblindverkostung, dass in mindestens einem der Becher Coke war, entschieden sich 60% der gesunden Probanden und sogar 61% der Probanden mit Läsionen außerhalb des VMPF für Coke.

Eine klassische Demonstration des Pepsi Paradox.

Die Experimentalgruppe mit Läsion im VMPC zeigte im Gegensatz dazu kein verändertes Verhalten. Im Gegenteil. Ganze 71% der Entscheidungen wurden zugunsten von Pepsi getroffen, wenn Pepsi als solche markiert war. Außerdem zeigten auch in der Blindverkostung 9 von 12 Probanden eine statistisch bedeutsame Tendenz dazu, Pepsi zu wählen.

Wie titelt der Burgerking: Geschmack ist King.

Pepsi kann leidvoll ergänzen: Aber nur, wenn der ventromediale Präfrontalkortex kaputt ist…

Die Daten von Koenigs und Tranel (2008) zeigen eindrucksvoll, dass es an einer kleinen Struktur im vorderen Teil unseres Gehirns liegt, dass Werbung und Marketing ihre Wirkung entfalten. Ohne den ventromedialen Präfrontalkortex flacht das emotionale Erleben von Menschen ab, finden Emotionen kaum noch Berücksichtigung im Entscheidungsverhalten.

Dass es dennoch gut ist, dass wir Emotionen in unseren Entscheidungen berücksichtigen, darauf werde ich in einem der nächsten Beiträge eingehen…

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Der ventromediale Präfrontalkortex ist eine Struktur im vorderen Teil unseres Gehirns, die für die Berücksichtigung von emotionalen Erfahrungen bei der Entscheidungsfindung zuständig ist. Personen, deren ventromedialer Präfrontalkortex beschädigt ist, zeigen klare Präferenzen für Pepsi gegenüber Coke, selbst dann wenn sie wissen, was sie trinken. Offenbar erklärt Werbung das Pepsi Paradox.

Referenzen

Koenigs, M. & Tranel, D. (2008). Prefrontal cortex damage abolishes brand-cued changes in cola preference. Social, Cognitive and Affective Neuroscience, 3, 1-6.

Kühn, S. & Gallinat, J. (2013). Does Taste Matter? How Anticipation of Cola Brands Influences Gustatory Processing in the Brain. PLoS ONE, 8(4): e61569.

McClure, S. M., Li, J., Tomlin, D., Cypert, K. S., Montague, L. M., & Montague, P. R. (2004). Neural Correlates of Behavioral Preference for Culturally Familiar Drinks. Neuron, 44, 379-397.