Neuromarketing: Der Wert von Fair Trade

Neuromarketing: Der Wert von Fair Trade

Fair Trade ist ein Versprechen an den Konsumenten. “Wenn du dieses Produkt kaufst, brauchst du kein schlechtes Gewissen haben. Wir, die Hersteller, garantieren dir, dass wir bestimmte ethische Richtlinien einhalten. Dass wir keinen Profit auf dem Rücken anderer machen. Dass wir unsere Produzenten und Lieferanten fair bezahlen.”
“Deswegen haben tragen wir dieses Siegel.”

Fair Trade ist aber auch ein Siegel. Ein Symbol, das dem Endverbraucher einen gewissen subjektiven Wert vermittelt, unabhängig von anderen Produkteigenschaften.
Zumindest sollte man das annehmen.

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Fair Trade Kaffee – besser als konventionelle Bohnen?

Eine gerade erst erschienene Studie der Universität Bonn geht der Frage nach, ob die Anwesenheit eines Fair Trade Siegels tatsächlich Veränderungen in den belohnungssensitiven Arealen des menschlichen Gehirns nach sich zieht und in wie weit sich diese potenziellen Veränderungen auf die Zahlungsbereitschaft und sogar auf den wahrgenommenen Geschmack auswirken können. Wir wissen ja bereits aus anderen Studien, dass geeignetes Marketing dazu beitragen kann, dass objektiv identische Produkte unterschiedlich wahrgenommen und subjektiv unterschiedlich bewertet werden. Hierbei ging es jedoch meist um Marken oder verschieden hohe Preise als Hinweis auf hohe Produktqualität, also Produkteigenschaften, die sowieso jedem Produkt zu eigen sind.
Wie aber sieht es mit einem Fair Trade Siegel aus? Macht ein solches einen qualitativen Unterschied?

Der Studienaufbau: Fair Trade Produkte im fMRT

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, untersuchten Laura Enax und Kollegen (2015) insgesamt 40 Probanden im fMRT. Sie zeigten Abbildungen verschiedener Produkte (z.B. Schokolade, Kaffee, Reis, …), bei denen sämtliche Markensymbole entfernt worden waren. Zudem wurde jedes Produkt zweimal präsentiert: einmal mit und einmal ohne das zu untersuchende Fair Trade Siegel.
Die Aufgabe der Probanden war dann relativ simpel: Nach jedem Durchgang sollten sie mittels Tastendruck angeben, wie viel Geld sie bereit wären für den dargestellten Artikel auszugeben. Die Eingabe erfolgte über vier verschiedene Tasten und konnte auf 5 Cent genau bestimmt werden. So erfassten die Forscher nicht nur die neuronalen Verarbeitungsprozesse, sondern gleichzeitig auch die sogenannte “willingness-to-pay”, die Zahlungsbereitschaft potenzieller Kunden.

Nach dem fMRT Teil wurden die Probanden abschließend zu einer Blindverkostung gebeten. Sie wurden gefragt, welche Erwartungen sie an die Geschmacksintensität von Fair Trade, bzw. konventioneller Schokolade hätten, und was sie erwarten würden wie gut sie ihnen schmeckt. Dann wurde ihnen die entsprechende Schokolade (Fair Trade oder konventionell) angeboten.
Nachdem sie die Schokolade probiert hatten, durften sie erneut die Intensität und den Gefallen des Geschmacks bewerten und einen Schluck Wasser trinken. Dann wurde das ganze Prozedere mit der jeweils anderen Schokolade wiederholt.

Was die Probanden nicht wussten: Beide Schokoladen, die sie zur Probe bekamen, waren eigentlich identisch.

Wie das Hirn auf Fair Trade Siegel reagiert: die Ergebnisse

Die Anwesenheit eines Fair Trade Siegels zeigte wie erwartet Aktivität in weitern Teilen des Belohnungsnetzwerks, hier vor allem im ventralen Striatum, sowie im anterioren und posterioren cingulären Cortex und im superioren Frontalgyrus, die im Zusammenhang mit der Verabreitung salienter Informationen stehen. Die Probanden waren nach eigenen Angaben durchaus bereit, mehr Geld für Fair Trade Produkte auszugeben, als für konventionelle Produkte. Diese Einschätzung des subjektiven Wertes korrelierte darüber hinaus mit Aktivität im ventromedialen Präfrontalkortex, was frühere Studien bestätigte.

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Schmeckt Fair Trade besser?

Interessanter Nebenbefund: Der Placebo Effekt für Fair Trade Siegel wirkte einerseits auf die Erwartung eines intensiveren Geschmacks, nicht jedoch auf die Erwartung eines besseren Geschmacks. In der Einschätzung der Erlebten Intensität und Qualität schnitt die als Fair Trade gelabelte Schokolade jedoch statistisch bedeutsam besser ab, als ihr nicht gelabeltes Pendant.
So gesehen übertraf das Fair Trade Logo sogar noch die selbst gesetzten Erwartungen – obwohl, und ich betone dies nochmal, objektiv die gleiche Schokolade gegessen wurde.

Wir bezahlen für ein Versprechen

Diese Studie zeigt, einmal mehr, den starken Einfluss von Marketing.
Die Anwesenheit eines Symbols für ethisch korrketen Handel hatte einen grundlegenden Einfluss auf den wahrgenommenen Wert und sogar die wahrgenommenen Leistungsparameter eines Produkts – und das obwohl objektiv gar kein Unterschied vorlag. Vor allem die Aktivität im ventralen Striatum, dem nachweislich besten Prädiktor realer Kaufentscheidungen, wird offenbar durch das Fair Trade Versprechen moduliert. Es ist offenbar die Aussicht, das Versprechen einer gewissen Leistung, das uns zum Kauf veranlasst und nicht die objektive Qualität.

Dumm nur, dass auch unsere Wahrnehmung der objektiven Qualität durch das Versprechen selbst subjektiv verzerrt wird.

Die Studie zeigt, einmal mehr, wie leicht ein “Marketing Placebo Effekt” herbeizuführen ist und wie stark dieser Effekt tatsächlich wirken kann. Sie zeigt allerdings auch, dass Signale ethisch vertretbarer Handelsprinzipien (denn um nichts anderes handelt es sich beim Fair Trade Prinzip) tatsächlich einen (Mehr-)Wert vermitteln, der direkt auf die (emotionale) Kaufentscheidung wirkt – und nicht erst vermittelt durch höhere kognitive Prozesse.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Fair Trade Siegel versichern dem Käufer, dass dieser sich bei einem Einkauf ethisch korrekt verhält und kein schlechtes Gewissen haben muss – ein offenbar geldwerter Vorteil. Eine kürzlich veröffentlichte fMRT Studie zeigt, dass Fair Trade Siegel nicht nur das Belohnungsnetzwerk aktivieren, die erhöhen auch die Zahlungsbereitschaft und das subjektive Qualitätsempfinden.

Referenzen

Enax, L., Krapp, V., Piehl, A. & Weber, B. (2015). Effects of social sustainability signaling on neural valuation signals and taste-experience of food products. Frontiers in Behavioral Neuroscience, http://dx.doi.org/10.3389/fnbeh.2015.00247