Die wichtigsten Kaufmotive 2: das Sicherheitsbedürfnis

Die wichtigsten Kaufmotive 2: das Sicherheitsbedürfnis

Warum kaufen wir das, was wir kaufen?
Warum entscheiden wir uns nicht für eine der vielen möglichen Alternativen? Und warum kaufen wir überhaupt und belassen nicht alles so, wie es ist?

Wenn man sich mit Neuromarketing beschäftigt, liest man oft so viel über Methoden und Hirnareale, über un(ter)bewusste Entscheidungen und irrationales Verhalten, dass die Frage nach dem „Warum?“ schnell in Vergessenheit gerät. Dabei geht es beim Marketing meiner Meinung nach genau darum: Um ein tieferes Verständnis der Bedürfnisse des Konsumenten.
Und – regelmäßige Leser dieses Blogs wird das kaum überraschen – meiner Meinung nach kann Neuromarketing einen wichtigen Beitrag bei der Beantwortung dieser Frage leisten.

Deswegen möchte ich in einer neuen, kleinen Serie von Beiträgen die impliziten Kaufmotive von Menschen untersuchen und aus neurowissenschaftlicher Sicht vorstellen.
Nachdem ich vorletzte Woche Neugier als zentrales Kaufmotiv eingeführt habe, möchte ich diese Woche seinen Antagonisten vorstellen: das Sicherheitsbedürfnis.

Kaufmotive im Neuromarketing: das Sicherheitsbedürfnis

Zugegeben, der Begriff „Sicherheitsbedürfnis“ klingt ein wenig sperrig. Gibt es nicht einen kurzen, prägnanten Emotionsbegriff, den man sich leichter merken kann?
Ja, den gibt es.
Aber wie so oft ist dieser nur zu verstehen, wenn man eine evolutionsbiologische, eine neurowissenschaftliche Perspektive einnimmt. Ansonsten wird er schnell missverstanden.

Die Emotion, die uns neben Neugier zum Kauf animiert, ist Geborgenheit. Das Gefühl, keinen Fehler zu begehen. Sich auf die Richtigkeit der eigenen Entscheidung verlassen zu können.

Eben das Gefühl der Sicherheit.

Im ersten Moment mag das merkwürdig klingen, denn der Kauf eines Produktes wird mir wohl kaum das Gefühl geben im Schoße der Familie zu sein (und wo sonst kann man Geborgenheit noch erleben?). Wenn man aber einmal darüber nachdenkt, ergibt es durchaus einen Sinn – sowohl Marketingtechnisch, als auch aus neurobiologischer Sicht.

Der Fall Nivea: Sicherheitsbedürfnis par excellence

Wann immer ich mit Marketern spreche, die sich nicht nur in der new economy zuhause fühlen, kommt über kurz oder lang die Sprache auf Nivea. Erst kürzlich sagte jemand zu mir, Nivea sei die am besten geführte Marke der Welt. Man mag anderer Meinung sein. Aber es steht wohl außer Zweifel, dass Nivea viele Dinge richtig gemacht hat. Kunden vertrauen Niveau – und Nivea Produkte lösen sicherlich keine Neugier aus.
Warum aber verkaufen sich Nivea Produkte dann so gut?

Sicherheitsbedürfnis befriedigt - mit sich selbst im ReinenGanz einfach: Weil sie das Sicherheitsbedürfnis der Kunden befriedigen.

Die Marke Nivea gibt es schon seit Ewigkeiten am Markt. Jeder von uns hat als kleines Kind erste Erfahrungen mit der Marke gemacht, als die eigene Mutter uns eincremte. Sie hat einen charakteristischen Duft, den wir mit der Nähe zu unserer Mutter verbinden. Mit Geborgenheit. Mit dem unumstößlichen Gefühl, dass uns nichts passieren kann, weil sich die wichtigste Frau in unserem Leben um uns kümmert.

Es sind diese Momente der Nähe zu unserer Mutter, in denen wir das erste mal mit der Marke Niveau in Berührung kommen.
Alles, was Nivea machen muss, ist uns regelmäßig (mittels Werbung) an diese Momente erinnern.

Und wenn wir dann eigene Kinder haben und wir vor dem Regal stehen und zu entscheiden haben, welches Produkt wir kaufen, um unseren Kindern etwas gutes zu tun, um nichts zu riskieren… dann greifen wir natrülich nach der blauen Marke mit weißer Schrift. Weil wir es in frühester Kindheit gelernt und nie wirklich vergessen haben.

Die Kehrseite der Medaille: Überdruss

Es gibt eine ganze Hand voll Marken, die ähnlich wie Nivea sehr stark mit unserem Sicherheitsbedürfnis verankert sind. Ein weiteres Beispiel ist die Sparkasse. Jedem von uns wird als Kind eingebleut: “Mit Geld spielt man nicht, man spart für schlechtere Zeiten.”
Naja, fast jeder.
Und fast jeder bekommt, um das Sparen schonmal zu üben, als Kind eines der berühmten Knax-Konten geschenkt.

Auch die Sparkasse ist mit Sicherheit, mit Geborgenheit und mit risikolosem Konsum assoziiert. Trotzdem hat sie ein Problem. Wenn wir aus dem Knax-Alter herausgewachsen sind, in den Teenagerjahren, wenn wir unser erstes eigenes Geld verdienen, das ist der Zeitpunkt, an dem sich viele von der Sparkasse abwenden und Alternativen suchen.Nicht etwa, weil das gute alte Sparbuch schlecht geworden ist. Sondern weil wir etwas Neues ausprobieren wollen.

Wenn Menschen sich sehr sicher fühlen – man könnte auch sagen, zu sicher – beginnen sie nach Abwechslung zu suchen. Vertraute Umgebungen, Marken, Produkte lösen dann keinen Kaufimpuls mehr aus, sondern Überdruss. Deswegen verreisen wir im Urlaub (bloß weg aus den eigenen vier Wänden). Deswegen gehen wir gern in Restaurants (bloß nicht wieder die Reste von gestern).Und im Teenageralter ist dieser Impuls besonders ausgeprägt.

Je älter wir werden, desto eher lernen wir erneut die Sicherheit des Vertrauten zu schätzen.

Geborgenheit und Überdruss sind – wie schon Neugier und Angst – zwei Seiten der selben Medaille.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Menschen haben ein Sicherheitsbedürfnis, ein Verlangen nach Geborgenheit und einer vertrauten Umgebung. Deshalb kaufen wir Dinge, die wir schon kennen – wir sind darauf gepolt Risiken zu vermeiden, selbst dann, wenn der Gewinn ungleich größer wäre. Zu viel Geborgenheit kann jedoch schnell in Überdruss münden – in Sturm und Drang.