Discover... Ford B Max

Discover… Ford B Max

Werbung kann eine tolle Sache sein. Manchmal geht sie aber auch einfach daneben. Meine lieben Freunde bei Ford: Was habt ihr euch bei diesem Spot gedacht?

Als regelmäßiger “Genießer” des Deutschen Fernsehangebots bin ich bislang dreimal über den Werbespot für den Ford B Max gestolpert. Jedes mal, nachdem ich ihn gesehen hatte, habe ich mir vorgenommen ihn hier zu besprechen und endlich habe ich die Zeit gefunden diesem Vorhaben Taten folgen zu lassen.

Doch bevor ich auf den Spot näher eingehe, hier erstmal der neue Ford B Max Clip:

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Meine Sicht der Dinge

Schon nach dem ersten mal Sehen des Spots war für mich klar: Ich bin nicht die Zielgruppe, für die diese Werbung gedacht ist. Sie spricht mich nicht an – schlimmer noch, jedes mal, wenn ich den Spot sehe, fühle ich mich verwirrt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich jemals in meinem Leben einen Ford B Max kaufe, ist durch diesen Spot eher gesunken als gestiegen, was sicher nicht die Absicht von Ford gewesen ist. Aber warum ist das so?

Betrachten wir den Spot einmal unter dem Gesichtspunkt der Emotionen, die durch ihn angesprochen werden. Wie bereits in meinen Beiträgen zu Emotionen erwähnt, sind Emotionen so etwas wie eine Antriebsfeder menschlichen Handelns – da ist es gut, wenn sie durch Werbung angesprochen werden. Beim Ford B Max Spot fällt mir auf, dass gleich mehrere Emotions- und Motivsysteme berücksichtigt werden – was ebenfalls an und für sich gut ist. Der Clip startet mit der Darstellung eines durchtrainierten Mannes, der eine Treppe oder Leiter hochklettert. Das strahlt sowohl einen gewissen Sexappeal als auch Dominanz aus. Vielleicht soll der Ford ein Frauenauto sein? Hm, eher nicht. Zwischendrin erblickt man immer wieder Ansichten des Autos, wodurch die emotionale Reaktion auf das Auto übertragen werden soll. Ein prominentes Beispiel dieser sogenannten affektiven Konditionierung habe ich hier beschrieben.

Dann kommt auch schon meiner ersten “Huch”-Moment. Man sieht die Füße des Mannes – wohl gemerkt, die Unterseiten der Füße. Fußfetischisten mag das ansprechen – bei mir sorgt es eher für Verwirrung. Und wer meint, dass diese kurze Sequenz sicherlich kaum einen Einfluss auf die Zuschauer hat, der sei erneut auf mein Beispiel affektiver Konditionierung verwiesen. Oder auf diesen Vortrag, bei dem gezeigt wurde, dass weibliche Zuschauer nicht gern daran erinnert werden, dass in einem Badezimmer oft auch eine Toilettenschüssel zu finden ist. Ähnliches dürfte für Fußunterseiten gelten.

Die Fußunterseiten werden gefolgt von einer kurzen Ansicht, in welcher der durchtrainierte Mann auf einem Sprungbrett steht. Mann kann nicht nur seine Muskeln bewundern, sondern auch die Stadt im Hintergrund. Das Vermittelt Weite und weckt den Entdeckerdrang, zahlt also auf das Erregungsmotiv ein. Abgesehen vom Sicherheitsmotiv hätten wir damit glaube ich alle wichtigen Motive bereits nach 6 Sekunden angesprochen.

Schließlich kommt mein Lieblingspart, der Höhepunkt des Spots:

Ford B Max

Man blickt auf den Ford B Max, in dessen Hintergrund man das Blau eines Swimmingpools erkennen kann – wohl gemerkt, auf ganzer Fläche! -  und wie von Geisterhand öffnen sich die Türen des Autos. Der Mann atmet einmal tief ein, und nach 13 Sekunden sieht man zum ersten mal die gesamte Szenerie. Ein Auto, angeschraubt an einen Sprungturm. Mein zweiter “Huch”-Moment. Allerdings erst beim zweiten mal ansehen, beim ersten mal ging mir die Szene zu schnell, um zu verstehen, was ich da eigentlich gerade sehe.

Der Mann springt, in hohem Bogen, mit perfekten Haltungsnoten, durch den Ford, ins Wasser. Durch ein paar Schnitte erleben wir diesen Sprung teilweise aus der Perspektive eines neutralen Beobachters, teilweise aus der Sicht des Springenden, was durchaus für ein bisschen Herzklopfen und den entscheidenden dritten Huch-Moment sorgt. Dann taucht der Mann ins Wasser ein (was beim ein oder anderen durchaus das Sicherheitsmotiv ansprechen könnte) und der Spot endet mit einer riesigen Auflistung der Produktvorteile, von denen die Panorama-Schiebetür des Ford B Max hervorgehoben wird.

Zugegeben: Auch beim 4ten und 5ten mal ansehen geht mein Puls ein bisschen in die Höhe, wenn der fremde Mann durch die kleine Öffnung springt. Die musikalische Untermalung des Spots ist wirklich sehr gelungen und perfekt getimed. Ihr habt es geschafft, mein Erregungssystem zu aktivieren, liebe Fordianer. Nutzen wird es euch dennoch nichts.

Warum der Ford B Max Spot nicht funktioniert

Es gibt ein geradezu klassisches Experiment von Schachter und Singer (1962), bei dem die Erregung von Versuchspersonen durch die Gabe einer Adrenalinspritze experimentell in die Höhe getrieben wurde. Den Versuchspersonen wurde erzählt, dass es sich bei der Spritze um ein Vitaminpräparat handle. Außerdem wurden die Probanden über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt. Einem Teil wurde erzählt, das Vitaminpräparat könne Symptome wie eine erhöhte Herzfrequenz und zittrige Hände. Tatsächlich beschrieben sie die zu erwartende Wirkung des Adrenalins und bereiteten die Versuchspersonen so auf den veränderten körperlichen Zustand vor. Einem zweiten Teil wurde erzählt, das Vitaminpräparat hätte keinerlei Nebenwirkungen. Einem dritten Teil wurde erzählt, dass es zu Taubheit in den Füßen und leichten Kopfschmerzen kommen könne – Effekte, die überhaupt nicht zu erwarten waren. Schließlich gab es noch eine vierte Kontrollgruppe, die anstelle des Vitaminpräparats ein Placebo erhielt und der gesagt wurde, es gäbe keine Nebenwirkungen.

Nach der Gabe des Vitaminpräparats wurden die Versuchspersonen zusammen mit einer anderen Person allein gelassen, die nach Aussage der Versuchsleiter ebenfalls am Experiment teilnahm. Diese Person – die natürlich Teil des Experiments war – verhielt sich nun entweder übertrieben euphorisch oder übertrieben verärgert und animierte den Versuchsteilnehmer, ihr Verhalten zu kopieren. Die Versuchsleiter beobachteten derweil, wie sehr die Versuchspersonen geneigt waren in das übertriebene Verhalten zu übernehmen. Abschließend befragten sie die Versuchspersonen noch einmal explizit nach ihrer Stimmung.

Norbert Bischof hat in seinem Buch “Das Rätsel Ödipus” bereits angemerkt, dass es kaum verwunderlich ist, wenn ein Mensch, der durch eine Adrenalinspritze – also einen ziemlich direkten Eingriff in das hormonelle Gleichgewicht – in Aufregung versetzt wird, nach einer plausiblen Erklärung für seine Symptome sucht. Im Fall von Schachter und Singers Experiment, in dem die Versuchspersonen natürlich angaben entsprechend der Manipulation entweder ärgerlich verstimmt oder euphorisch zu sein, wenn sie nicht über die tatsächlichen “Begleiterscheinungen” der “Vitaminspritze” aufgeklärt worden waren, wird die Erregung auf den emotionalen Zustand attribuiert. Beim Ford B Max Werbespot ist es die skurrile Situation, die als Erklärung herhalten muss.

Wie bereits erwähnt, der Spot schafft es durch seine Musik, seine Szenerie und seine Präsentation den Zuschauer emotional anzusprechen. Mich zumindest. Leider ist die dargestellte Situation am Höhepunkt der emotionalen Erregung aber so abenteuerlich wirklichkeitsfern, dass die gesamte Erregung der Verwunderung, also dem dritten Huch-Moment zugeschrieben wird. Nicht dem wahrscheinlich tollen Auto.

Ford B Max SeitenansichtMittels einer Messung der elektrodermalen Aktivität könnte man der Verlauf der emotionalen Erregung wahrscheinlich sehr schön sichtbar machen. Aber, liebe Werber bei Ford, bitte bitte gebt euren Zuschauern doch etwas, das mit dieser emotionalen Erregung in Zusammenhang gebracht werden kann und das dem ganzen ein positives Vorzeichen gibt. Die abschließende Fokussierung auf die Schiebetür des Ford B Max rettet da leider auch nichts mehr. Ich hab mich jedenfalls unwillkürlich gefragt, wer außer Turmspringern noch so eine Schiebetür braucht? Oder diesen Ford?

Wenn ihr das nächste mal ein Auto bewerben wollt, liebe Fordiner, sagt mir doch bitte Bescheid. Ich bin euch gern behilflich dabei die emotionale Erregung, die ihr hervorruft, in die richtigen Kanäle zu lenken. Ich bin überzeugt, ein kurzer Test des Spots mit den Methoden des Neuromarketing hätte dem Ford B Max einige Kunden gerettet.

So ist der Ford B Max wahrscheinlich nur für Hobby Turmspringer interessant, die zum Extremsport neigen – eine soweit ich weiß nicht gerade hart umkämpfte Zielgruppe.

Soviel zu meiner (etwas überspitzten) Meinung.

Wie ist eure?

Referenzen

Bischof, N. (1989). Das Rätsel Ödipus. München: Piper

Schachter, S. & Singer, J. E. (1962). Cognitive, social, and physiological determinants of emotional state. Psychological Review, 69(5), 379-399.