Der Einfluss von Hormonen... bald messbar?

Der Einfluss von Hormonen… bald messbar?

Manchmal, wenn man nichts ahnt, wird man ganz unverhofft Zeuge kleiner Vorgänge, deren Auswirkungen das Potenzial haben alles zu verändern. Vorgestern war so ein Moment. Ich entdeckte, rein zufällig, eine kleine wissenschaftliche Revolution.

Zugegeben: Nicht ich habe die Entdeckung gemacht. Leider. Ich habe nur, assistiert durch einen Artikel im Siegel Online, die dazugehörige Veröffentlichung gefunden. Die Anerkennung gebührt also einer Forschergruppe um Allan Jasanoff, einem Associate Professor am MIT in Boston.

Doch bevor ich darauf eingehe, was die Amerikaner nun herausgefunden haben, noch ein paar Worte vorweg, damit die Tragweite der Ergebnisse auch klar wird – wir wissen ja: Framing ist wichtig!

Neurowissenschaft: Was wir messen können – und was nicht

Eines der Probleme, mit der die Neurowissenschaft zu kämpfen hat, ist die Verfügbarkeit von Informationen.  Mittels Magnetresonanztomografie können wir beispielsweise untersuchen, welche Hirnstrukturen an einem bestimmten Prozess beteiligt sind. Wir erfahren aber nichts über den zeitlichen Verlauf dieser Prozesse. Sind wir an diesen interessiert, bietet sich die Methode der Elektroenzephalografie an. An raum-zeitliche Informationen zu gelangen ist nur durch die Kombination beider Methoden möglich, und aus eigener Erfahrung weiß ich: Der Aufwand solcher methodischen Kombinationen steht nur selten in einem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis.

Nehmen wir aber einmal an, wir könnten Raum und Zeit der elektrischen neuronalen Prozesse zeitgleich erfassen: Wir hätten noch immer ein unvollständiges Bild!

Das Gehirn arbeitet nunmal mit mehr als nur mit elektrischen Signalen. Es kommuniziert auch mit Hormonen. Diese können wir zwar auch messen, aber nur sehr unspezifisch im Blut. Welche Hormone in welcher Konzentration an welcher Stelle im Gehirn ihren Einfluss entfalten lässt sich im lebenden Organismus bislang nicht erfassen.

Hormone? Was interessieren mich Hormone?

Bislang kommt die Neurowissenschaft auch ganz gut ohne Detailinformationen zum Einfluss von Hormonen zurecht. Allerdings würden viele Vorgänge wahrscheinlich in ganz anderem Licht erscheinen, wüssten wir um den genauen Einfluss der Botenstoffe. Aus der Umgangssprache kennen wir beispielsweise die Formulierung: “Die Hormone spielen verrückt” – allein dieser Ausspruch zeit, wie wichtig Hormone im Zusammenhang mit Emotionen sind.

Eine Studie von Lin, Grewal, Morin, Johnson und Zak (2013) konnte beispielsweise den grundlegenden Einfluss von Hormonen bei der Werbewirkung zeigen, indem sie Probanden Oxytocin in Form eines Nasensprays verabreichten und dann schauten, ob dies die Spendenbereitschaft nach Werbung für Hilfsorganisationen erhöht. Die Studie habe ich bereits an anderer Stelle ausführlich besprochen, hier sei nur noch einmal der Zusammenhang zwischen Emotionen (und damit Hormonen) und Kaufverhalten erwähnt.

Ein Unternehmen, das es schafft gezielt in den Hormonhaushalt seiner Kunden einzugreifen – und damit ist nicht einmal eine direkte Manipulation gemeint – kann sich in jedem Fall loyaler Käufer sicher sein.

Der Einfluss von Hormonen: Plötzlich quantifizierbar?

Und damit zurück zur eingangs erwähnten kleinen Revolution.

Lee, Cai, Lelyveld, Hai & Jasanoff (2014) ist es nun erstmalig gelungen durch die Injektion bestimmter Kontrastmittel den Wirkungsort von Dopamin im lebenden Rattenhirn sichtbar zu machen – jenes Botenstoffs, der so wichtig ist fürs Marketing, weil er Belohnungen suggeriert und daher Verhalten verstärkt. Zwar ist die Technologie noch nicht so weit, dass sie auch am lebenden Menschen eingesetzt werden kann – bis dahin ist es noch ein weiter Weg, immerhin ist bislang eine Direktinjektion des Kontrastmittels ins Hirn notwendig. Letztlich ist es aber wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis Kontrastmittel entwickelt werden, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden können oder auf anderem Wege an ihren Wirkungsort gelangen.

Auch scheint die Anwendung nicht auf das Hormon Dopamin beschränkt zu sein. Weitere Hormonspezifische Kontrastmittel sollen bereits ausgereift und für einen wissenschaftlichen Einsatz bereit sein.

Warum dies in meinen Augen eine kleine Sensation ist? Ganz einfach.

Bis heute streiten sich Wissenschaftler darum, wie genau menschliche Emotionen am besten zu verstehen sind. In einem meiner ersten Blogbeiträge bin ich ausführlicher auf dieses Thema eingegangen. Die Möglichkeit, den genau lokalisierbaren Einfluss von Hormonen bei dieser Debatte zu berücksichtigen, brächte wahrscheinlich nicht nur ein tieferes Verständnis emotionaler Prozesse mit sich, es würde Unternehmen darüber hinaus ermöglichen die spezifische emotionale Wirkung ihrer Produkte und Marketingmaßnahmen zu untersuchen und gegebenenfalls anzupassen.

Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich diese Technologie weiter entwickelt und wage die Prognose dass sie sich sehr schnell durchsetzen wird, vorausgesetzt der Einsatz am Menschen wird ermöglicht. Allan Jasanoff haben fünfzehn Jahre gebraucht, um diese Technologie zu entwickeln. Ich bin gespannt, wo wir in weiteren fünfzehn Jahren stehen werden.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Der Einfluss von Hormonen auf das menschliche Erleben und (Kauf-)Verhalten ist grundlegend und vielfach bewiesen. Leider ist es bis heute sehr aufwendig und nur eingeschränkt möglich, den Einfluss von Hormonen zu messen. Allan Jasanoff und seine Kollegen haben einen ersten Schritt getan, dies zu ändern. Hut ab vor dieser Leistung!

Referenzen

Lee, T., Cai, L. X., Lelyveld, V. S., Hai, A. & Jasanoff, A. (2014). Molecular-level functional magnetiv resonance imaging of dopaminergic signaling. Science, 344(6183), 533-535.

Lin, P.-Y., Grewal, N. S., Morin, C., Johnson, W. D., & Zak, P. J. (2013). Oxytocin Increases the Influence of Public Service Advertisements. PLoS ONE 8(2): e56934.

 

Beitragsbild auf der Grundlage eines Fotos von Dieter Schütz / pixelio.de