Entscheidungen treffen heißt aus Konsequenzen lernen

Entscheidungen treffen heißt aus Konsequenzen lernen

Wenn sich die Neuroökonomie mit der Erforschung von Entscheidungsverhalten beschäftigt, dann liegt nicht selten ein Forschungsschwerpunkt auf der Veränderlichkeit von Entscheidungsverhalten in Abhängigkeit erlernter Konsequenzen. Anders ausgedrückt: Wie muss uns ein Unternehmen über den Tisch ziehen ehe wir lernen, dass die Konkurrenz ein besseres Angebot macht? Wie schnell können wir lernen gute von schlechten Entscheidungen zu unterscheiden und welche Faktoren beeinflussen diesen Prozess?

Ein Forscher, der in diesem Gebiet zu einiger Berühmtheit gekommen ist, ist Prof. Antoine Bechara von der University of Southern California. Er hat zahlreiche Studien zur strategischen Anpassung von Entscheidungsfindung veröffentlicht, darunter einige sehr einflussreiche Arbeiten zum von ihm und einigen Kollegen entwickelten sogenannten Iowa Gambling Task.

Um zwei dieser Arbeiten soll es heute gehen.

Der Iowa Gambling Task: Entscheidungen und ihre Konsequenzen

Die schwierigste Aufgabe bei der experimentellen Untersuchung von Entscheidungsfindungsprozesse und  ihrer Beeinflussbarkeit durch eventuelle Konsequenzen der Entscheidungen liegt in der Konstruktion einer geeigneten Aufgabe, die sich durch den Wissenschaftler bis ins Detail kontrollieren lässt und zuverlässig die zu untersuchenden Prozesse anspricht. Prof. Bechara und das Ehepaar Damasio, die sich vor allem durch ihre Untersuchungen zur Rolle von Emotionen bei der Entscheidungsfindung einen Namen gemacht haben,  waren in dieser Beziehung äußerst kreativ. Sie legten ihren Versuchspersonen vier Stapel mit Karten vor und baten sie sich in jedem Durchgang für eine Karte von einem der Stapel zu entscheiden. Auf den Karten fanden sich je zwei Angaben zu Gewinnen und Verlusten, welche entweder jeweils recht hoch oder recht niedrig ausfallen konnten.

Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Handlungen führen zu Gewinnen UND Verlusten
Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Der Trick ist nun, dass die Versuchspersonen jene Stapel identifizieren müssen, die ihnen langfristig Gewinne einbringen. Stapel mit Karten, die kurzfristigen (hohen) Gewinn einbringen, gehen nämlich langfristig mit Verlusten einher, da bei diesen Stapeln auch die Verluste überproportional hoch sind. Eine gute Strategie im Iowa Gambling Task verlangt auf kurzfristige Gewinne zu verzichten, also niedrige Gewinne zu wählen, um aufgrund der geringen Verluste langfristig Erfolg zu haben.

Wir handeln richtig bevor wir wissen, warum

Mit Hilfe des Iowa Gambling Task haben Bechara und Kollegen eine ganze Reihe interessanter Untersuchungen durchgeführt und bemerkenswerte Erkenntnisse über das menschliche Entscheidungsverhalten gewonnen. Bereits 1997 stellten sie beispielsweise fest, dass gesunde Menschen damit beginnen vermehrt Karten von einem der beiden für sie günstigen Stapel zu wählen, obwohl sie – wenn danach gefragt – keine explizite Strategie angeben konnten (Bechara, Damasio, Tranel & Damasio, 1997).

Nochmal zum mitschreiben: Menschen lernen Entscheidungen zu treffen, die für sie langfristig von Vorteil sind, ohne sich darüber bewusst zu sein, warum sie entscheiden, wie sie entscheiden.

Dass wir aus Konsequenzen lernen, hängt darüber hinaus offensichtlich mit unseren Emotionen zusammen, wie Bechara et al. (1997) zeigten. In der Phase, in der Versuchspersonen noch nicht angeben konnten, welche Stapel für sie günstig sind, diese aber bereits überzufällig häufig auswählten, konnte ein statistisch bedeutsamer Anstieg der Aktivität von Schweißdrüsen kurz riskanten Entscheidung nachgewiesen werden. Dieses Verfahren, das man aus Hollywood Filmen im Zusammenhang mit Lügendetektion kennt, zeigt verstärkte Aktivität im sympathischen System an und wird für gewöhnlich als Index emotionaler Erregung interpretiert. Außerdem ließen Bechara et al. (1997) die gleiche Aufgabe von Menschen durchführen, die einen Defekt (Fachbegriff: Läsion) in mittleren vorderen Gehirnarealen, dem sogenannten ventromedialen Präfrontalkortex aufwiesen. Diese Sturktur ist wahrscheinlich dafür verantwortlich emotionale Konsequenzen in Entscheidungen einzubeziehen – und die Daten von Bechara et al. (1997) stützen diese Interpretation. Die Patienten waren zwar in der Lage irgendwann anzugeben, welche Entscheidungsstrategie die wahrscheinlich beste wäre – aus Konsequenzen lernen konnten sie aber nicht. Wider besseren Wissens entscheiden sie sich immernoch deutlich häufiger für “schlechte” Stapel als gesunde Versuchspersonen, und ihre Schweißdrüsenaktivität stieg vor riskanten Entscheidungen nicht an.

Man könnte auch sagen: Unsere Emotionen verraten uns schlechte Entscheidungen noch bevor wir sie im Rahmen einer bewussten Strategie erkennen.

Aus Konsequenzen lernen: Ein mehrstufiger Prozess

Während gesunde Menschen offensichtlich dazu in der Lage sind, die Konsequenzen ihres Handelns (kognitiv wie emotional) zu erkennen und entsprechend zu handeln, können Menschen mit einer Schädigung des ventromedialen Präfrontalkortex die Konsequenzen ihres Handelns zwar (kognitiv) erkennen, diese Erkenntnis aber nicht in ihre Entscheidungen einbeziehen. Bleibt die Frage: Welche Strukturen benötigen wir, um die Zusammenhänge zwischen Handlung und Konsequenz zu lernen?

Auch dieser Frage ging Bechara unter Verwendung des Iowa Gambling Task nach. In einer 1999 erschienenen Studie fügten Bechara und seine Kollegen eine dritte Gruppe zu ihrem Untersuchungsdesign: Patienten mit einer Schädigung der beidseitigen Amygdala – einer Struktur, die nachweislich eine wichtige Rolle bei affektiver Konditionierung spielt (Bechara, Damasio, Damasio & Lee, 1999).  Die Ergebnisse sind eindeutig.

Genau wie Patienten mit einer Schädigung im ventromedialen Präfrontalkortex hatten Patienten mit einer Schädigung der Amygdala Probleme, schnell eine gute Entscheidungsstrategie zu entwickeln. Keine der beiden Gruppen zeigte eine verstärkte Aktivität der Schweißdrüsen vor schlechten Entscheidungen. Aber: Nachdem eine Entscheidung getroffen und die Konsequenzen bekannt gegeben wurden, stieg die Schweißdrüsenakrivität an – vorausgesetzt die Amygdala war intakt.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Studien von Bechara und Kollegen belegen die Wichtigkeit von Emotionen bei (Kauf-)Entscheidungen – vor allem beim Lernen aus Konsequenzen. Schädigungen im ventromedialen Präfrontalkortex verhindern nicht das Erkennen der Konsequenzen, wohl aber deren Berücksichtigung. Wider besseren Wissens werden schlechte Entscheidungen getroffen. Schäden in der Amygdala verhindern hingegen das Erlernen von Handlungskonsequenzen.

Referenzen

Bechara, A., Damasio, H., Damasio, A. R. & Lee, G. P. (1999). Different contributions of the human amygdala and ventromedial prefrontal cortex to decision-making. The Journal of Neuroscience, 19(13), 5473-5481.

Bechara, A., Damasio, H., Tranel, D. & Damasio,A. R. (1997). Deciding adventageous before knowing the adventageous strategy. Science, 28, 1293-1295.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Bildes von Dorothea Jacob / pixelio.de