Framing - der unbemerkte Einfluss von Marken

Framing – der unbemerkte Einfluss von Marken

Die bekannteste Deutsche Tageszeitung wirbt mit dem Slogan: “BILD dir deine Meinung” – ein in meinen Augen mehrdeutiger Satz. Schon als Teenager habe ich mich daran erfreut, verschiedene Interpretationen dieser vier Worte zu ergründen und zu schauen, welche davon am besten zu meinem Bild der BILD passt. Die Macher der Zeitung beabsichtigten sicherlich folgende Botschaft: Kauf die BILD und mach dir anhand der gelieferten Informationen eine eigene Meinung. Mein Favorit war und ist allerdings “BILD – Dir deine Meinung”, also: Kauf die BILD und du brauchst nicht mehr darüber nachdenken, wie die Dinge laufen. Wir haben die Meinung für dich schon parat. Wir machen dir deine Meinung.

An dieser Stelle sei dem misstrauischen Leser versichert, dass dieser Blogbeitrag von keiner Zeitung finanziert wurde (auch wenn ich mich sehr darüber gefreut hätte) und dass es im Folgenden noch um Marketing – das heißt genauer: Neuromarketing – gehen wird. Die BILD Zeitung muss nur als Aufhänger für zwei Studien herhalten, die ich kürzlich entdeckt habe – Studien, in denen Tageszeitungen (und ich vermute darunter die BILD) genutzt wurden, um den sogenannten Framing Effekt zu untersuchen.

Und die Ergebnisse werden der BILD Zeitung nicht gefallen.

Framing? Was ist Framing?

Uta Herbert / pixelio.de

Framing Effekte in Zeitungen?
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Meistens, wenn man an Neuromarketing denkt, denkt man an die Optimierung eines konkreten Werbespots oder Produkts. Ich zumindest. Man untersucht den Werbespot unter Laborbedingungen, identifiziert all jene Szenen, die im Sinne des Unternehmens funktionieren, schneidet den Rest raus und strahlt dann das restliche Material aus. Die grundlegende Technik dazu habe ich andernorts bereits ausführlich erklärt.

Das Probelm: Ändert sich die Umgebung, die Art der umliegenden Präsentation, ändert sich auch das gemessene Signal. Und zwar mitunter ganz entscheidend.

Diesen Einfluss der Umgebung auf die Wahrnehmung von Informationen (im weitesten Sinne) nennt man den Framing Effekt.

Im Rahmen dieses Blogs bin ich schon einmal auf Framing eingegangen – allerdings ohne es Framing zu nennen. Als McClure und Kollegen nämlich im Jahr 2004 untersuchten, welchen Einfluss eine Marke auf den Geschmack eines Getränks (Pepsi oder Coke) hat, veränderten sie mit dem Wissen um die Markenzugehörigkeit auch die Rahmenbedingungen des Geschmackstests. Sie zeigten einen Framing Effekt. Einen spezifischen Framing Effekt der stärkeren Marke auf einen sensorischen Eindruck.

Wie funktioniert Framing?

Eine Grupe Neurowissenschaftler um Michael Deppe interessierte sich bereits vor knapp 10 Jahren für diesen Framing Effekt – vor allem für seine Generalisierbarkeit. Die Coke und Pepsi Logos, die McClure et al. (2004) benutzten, sollten sehr stark mit einer braunen, süßen Flüssigkeit assoziiert sein. Was aber geschiet, wenn man allgemeinere Assoziationen testet? Wie zum Beispiel ein Zeitungslogo, das jeden Tag in einem anderen Kontext auftaucht…?

Michael Deppe und Kollegen führten zwei Studien durch. Im Jahr 2005 präsentierten sie ihren Probanden eine Reihe unterschiedlicher Zeitungsschlagzeilen, die zuvor in Bezug auf ihre Glaubwürdigkeit eingeschätzt worden waren (Deppe et al., 2005). Die Probanden sollten diese Einschätzung wiederholen, während ihre Hirnaktivität mittels fMRT gemessen wurde. Der Trick: Jede Schlagzeile wurde zusammen mit dem Logo einer Tageszeitung präsentiert um zu schauen, wie dieses Framing die Einschätzung der Glaubwürdigkeit beeinflusst. Behavioral wie neuronal.

Wie zu erwarten, hatte die Präsenz eines Zeitungslogos einen bedeutsamen Einfluss auf die wahrgenommene Glaubwürdikeit einer Schlagzeile – bei einigen Versuchsteilnehmern mehr, bei anderen weniger. Dieser Einfluss korrespondierte mit systematischen Unterschieden in fünf Hirnregionen: dem superioren temporalen Kortex, dem parietalen Kortex, dem Precuneus, dem cingulären Kortex und dem medialen frontalen Kortex. Letzterer war ebenfalls in der Studie von McClure et al. (2004) am Framing Effekt beteiligt.

Zwei Jahre nach der Publikation dieser Ergebisse veröffentlichten Deppe et al. (2007) eine weitere Studie zum Framing. Dieses mal wurde der Einfluss von Zeitungslogos auf die wahrgenommene Attraktivität von Werbeanzeigen untersucht – eine Fragestellung, die für Zeitungsleser zwar unwichtig, für Zeitungmacher, die sich durch Werbung finanzieren, und Unternehmen, die in Zeitungen werben, jedoch von höchster Relevanz ist.

Und die Ergebnisse – wie versprochen – werden der BILD nicht gefallen.

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Beim Erstellen einer Anzeige, immer auf das Framing achten!
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Wie schon zwei Jahre zuvor konnten Deppe et al. (2007) einen bedeutsamen Framing Effekt zeigen, in den Verhaltens- und den MRT-Daten. Große Teile des 2005 identifizierten Netzwerks, der Parietalkortex, der mittlere frontale Kortex und der anteriore cinguläre Kortex, sowie zusätzlich der inferiore Frontalkortex zeigten Aktivität, die mit der Stärke des Framing Effekts korrelierte.

Offensichtlich macht es einen großen Unterschied nicht nur welche Werbung präsentiert wird, sondern auch wo.

Was diese Ergebnisse bedeuten

Michael Deppe und seine Kollegen fokussieren sich in ihren Analysen auf zwei Hirnregionen, denen eine wichtige Rolle in der Integration von Informationen aus verschiedenen Quellen nachgesagt wird: der anteriore cinguläre Kortex und der mediale Frontalkortex, der auch schon beim Pepsi-Coke-Vergleich eine Rolle spielte. Letzterer ist vor allem bei Entscheidungsfindungsprozessen relevant, bei denen Ziele, Pläne, Erinnerungen und Emotionen miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Läsionen in diesen Regionen führen in der Regel zu Antriebslosigkeit und Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung, sowie einem abgeflachten emotionalen Erleben. Der anteriore cinguläre Kortex hingegen ist für Monitoring Prozesse wichtig, bei denen die Auswirkungen aktuell verarbeiteter Informationen auf geplante Handlungen überwacht werden. In diesem Zusammenhang weist starke Aktivität im cingulären Kortex oft auf kognitive Konflikte und Entscheidungen unter Unsicherheit hin, was als Hinweis darauf interpretiert wird, dass die Wahrnehmung bestimmter Zeitungslogos mit der Bewertung der Attraktivität einer Werbeanzeige interferiert. Anders ausgedrückt: In bestimmten Zeitungen wirkt Werbung auf den Betrachter weniger attraktiv.

Sorry, BILD!

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Die Stärke von Marken liegt in ihrer Eigenschaft, als Framing für Informationen zu dienen. Marken können Informationen zuverlässig und vertrauenswürdig erscheinen lassen – oder unzuverlässig. Sogar die Attraktivität von Werbeanzeigen wird durch ihre Umgebung (z.B. Marken) beeinflusst. Wo geworben wird ist also genauso relevant wie die Gestaltung der Anzeige selbst.

Referenzen

Deppe, M., Schwindt, W., Krämer, J., Kugel, H., Plassmann, H., Kenning, P. & Ringelstein, E. B. (2005). Evidence for a neural framing effect: Bias-specific activity in the ventromedial prefrontal cortex during credibility judgments. Brain Research Bulletin, 67, 413-421.

Deppe, M., Schwindt, W., Pieper, A, Kugel, H., Plassmann, H., Kenning, P., Deppe, K. & Ringelstein, E. B. (2007). Anterior cingulate reflects susceptibility to framing during attractiveness evaluation. NeuroReport, 18(11), 1119-1123.

McClure, S. M., Li, J., Tomlin, D., Cypert, K. S., Montague, L. M., & Montague, P. R. (2004). Neural Correlates of Behavioral Preference for Culturally Familiar Drinks. Neuron, 44, 379-397.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Katharina Bregulla  / pixelio.de