Ist emotionale Werbung immer gut?

Ist emotionale Werbung immer gut?

Eines der Kernthemen dieses Blogs ist immer wieder die Frage nach Emotionen und ihrer Rolle in der Werbung. Ich habe schon vielfach darüber geschrieben, wie wichtig eine emotionale Ansprache des Kunden ist, dass hier einer der  Schlüssel, wenn nicht sogar der eine Schlüssel zum Verkaufserfolg liegt.

Wenn man sich dann aber mal an einem gewöhnlichen Abend zur besten Sendezeit das Fernsehprogramm ansieht, stellt man schnell fest, dass gebetsmühlenartige Wiederholung offenbar nicht ausreicht, um eine Verbesserung zu bewirken. Einer finnischen Studie zufolge sind 62% aller untersuchten Werbespots aus Neuromarketing Sicht unbrauchbar, weitere 24% sogar schädlich für den Werbeerfolg (siehe hier). Beeindruckende Zahlen, die ich ohne weitere Überprüfung sofort glaube.

Wanamaker, anyone?

Ein guter Freund hat mich nun vor kurzem auf ein Video aufmerksam gemacht, dass sich dem Thema emotionale Werbung mal von einer ganz anderen Blickrichtung nähert.

Seht selbst:

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Auch wenn das Video natürlich ein Fake ist, fand ich das einen interessanten Ansatz. Würde angstauslösende Werbung funktionieren?

Was spricht für angstauslösende Werbung?

Zunächst einmal muss ich den Machern des Videos Recht geben: Angst ist eine sehr intensiv erlebte Emotion, und noch dazu ist es wesentlich leichter jemanden zu ängstigen, als ihn beispielsweise zu erfreuen. Nicht umsonst gehört die Angstkonditionierung zu den meist verwendeten Techniken bei der Untersuchung von Lernmechanismen.

Angstauslösende Werbung sollte zudem – auch da haben die im Video gezeigten “Verantwortlichen” Recht – einen starken Einfluss auf klassische werberelevante Konstrukte wie Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung haben. Es fällt Menschen beispielsweise wesentlich leichter, ein angstverzerrtes Gesicht in einer Gruppe glücklich schauender Menschen zu entdecken, als einen glücklichen Gesichtsausdruck in einer Gruppe ängstlicher Personen. Zudem haben angstauslösende Ereignisse eine stark verhaltensverändernde Wirkung, die nicht so leicht wieder auszulöschen ist.

Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Emotion – das ist doch die Trias, die immer wieder für Marken gefordert wird… auch von mir.

Ist angstauslösende Werbung also genau das, was man für langanhaltenden Markenerfolg braucht?

Was spricht gegen angstauslösende Werbung?

Auf den ersten Blick ist man geneigt zu antworten: “Natürlich nicht!”

Wenn sie funktioniert, bewirkt angstauslösende Werbung Vermeidungsverhalten – also eine Abkehr vom beworbenen Produkt. Eine erfolgreiche Verknüpfung der im obigen Video gezeigten fiktiven Biermarke mit Angst ist meiner Meinung nach nicht unbedingt das, was man erreichen will. Man stelle sich nur vor, welche Prozesse im Gehirn am point of sale in Gang kommen, wenn der Kunde die mit Angst besetzte Biermarke erblickt. Ich glaube, viel mehr kann man nicht machen, um einen Ladenhüter zu produzieren.

Angstauslösende Werbung ist also, trotz hervorragender Wirkung auf Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse, wahrscheinlich nicht die Lösung aller Marketingprobleme.

Und trotzdem hat sie ihre Berechtigung.

Unter welchen Bedingungen angstauslösende Werbung Sinn ergibt

Lösen wir uns mal für einen Moment von Bier- und Automarken und wechseln gedanklich in Produktkategorien, bei denen Vermeidungsverhalten durchaus im Sinne des Kunden ist. Medizinprodukte zur Prävention oder Heilung von Krankheiten, zum Beispiel. Oder Versicherungen. Finanzprodukte. Kurz alle Produktkategorien, bei denen Kunden etwas zu verlieren haben und bei denen es in ihrem Interesse liegt, diesen Verlust zu vermeiden.

ExFEARientialWenn man Menschen vor Augen führt, wie leicht ein theoretisches Risikio zu tatsächlichen Schäden und Verlusten führen kann, sind sie sehr schnell bereit viel Geld in die Hand zu nehmen, um das Risiko zu minimieren. Bestes Beispiel ist hier wahrscheinlich der zweite Deutsche Atomausstieg, befeuert durch die Katastrophe in Fukushima. Die Angst vor nuklearen Katastrophen war auf einmal kein theoretisches Hirngespinst mehr, sie hatte eine reale Ursache. Die Jahrhundertflut sorgte für reißenden Absatz bei Versicherungen und nach jedem Stromausfall steigt plötzlich der Kerzenbedarf. Relevanz ist hier das Stichwort, und angstauslösende Werbung ist wenn sie gut gemacht ist durchaus in der Lage Relevanz zu schaffen.

Es ist wie immer wichtig zu sehen, in welcher Beziehung Produkt, Marke und Emotion stehen. Emotionale Werbung ist nicht immer gut, sie muss zum Produkt passen – und das kann durchaus auch bei angstauslösender Werbung erreicht werden.

Übrigens: Ich glaube, auch der Absatz des im obigen Spot beworbenen Bieres würde steigen – nämlich dann, wenn man den verängstigten Konsumenten sagt: “Wir sind sofort weg, sobald ihr drei Kästen Bier gekauft habt.” Ob das der Beginn einer langen und loyalen Geschäftsbeziehung ist, darf aber bezweifelt werden.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Angstauslösende Werbung mag auf den ersten Blick nach keinem guten Konzept klingen – immerhin löst Angst Vermeidungsverhalten aus, und wer will sein Produkt schon gemieden wissen. Bestimmte Produktkategorien können jedoch durchaus davon profitieren, wenn potenzielle Kunden Angst haben. Angst vor schmerzhaften Verlusten. Es gibt also durchaus eine Nische für angstauslösende Werbespots.