Kinowerbung: Nicht stören, Kunde isst

Kinowerbung: Nicht stören, Kunde isst

Wer erinnert sich noch an den großen Wirbel, den das Konzept der subliminalen Werbebotschaften in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ausgelöst hatte? In seinem Buch “Die geheimen Verführer” nahm der Journalist Vance Packard Bezug auf eine Studie von James Vicary, die angeblich beweisen sollte, dass die Darbietung von Werbebotschaften unter der bewussten Wahrnehmungsschwelle einen immensen Einfluss auf das menschliche Konsumverhalten hat. Vicary präsentierte Kinobesuchern für unter einer Millisekunde die Botschaft “Iss Popcorn” – was zu 58% erhöhtem Popcornabsatz geführt haben soll.

Die Studie von Vicary war ein Fake. Viel interessanter ist aber: Selbst wenn die erfundenen Ergebnisse von Vicary der Wahrheit entsprochen hätten, wären sie in gewisser Weise wertlos gewesen. Denn wie ich durch einen Artikel im Spiegel Online erfahren habe, gibt es mittlerweile Hinweise darauf, dass Kinowerbung ihre Wirkung verliert, wenn die Besucher zeitgleich Popcorn essen.

Warum also sollte man den Popcornverkauf ankurbeln wollen?

Rainer Sturm / pixelio.de

Rainer Sturm / pixelio.de

Kinowerbung wirkt schlechter, wenn Mund und Zunge beschäftigt sind

Grundlage des Spiegel Online Artikels ist eine vor kurzem veröffentlichte Studie  einer Forschergruppe der Universität Würzburg. Sascha Topolinski und Kollegen (2013) simulierten einen Kinobesuch, inklusive Kinowerbung. Dabei teilten Sie ihr Kinopublikum in drei Gruppen: Gruppe 1 bekam während des Besuchs Popcorn zu essen, was dazu führte, dass die Probanden der Kinowerbung nicht mit voller Aufmerksamkeit folgen konnten – schließlich mussten Sie in die Popcornschüssel greifen, das Popcorn zum Mund führen, und so weiter. Bei Gruppe 2 sollten diese Begleiterscheinungen der Nahrungsaufnahme verhindert werden – sie durfte daher zu Beginn des Kinobesuchs einen Kaugummi kauen. Was die motorischen Abläufe im Mund angeht, sind Popcorn essen und Kaugummi kauen aber halbwegs vergleichbar. Als Kontrollgruppe dienten daher Zuschauer, die ein Stück Würfelzucker zum Lutschen bekamen, also eine Form der Nahrungsmittelaufnahme, die vollkommen ohne Kaubewegungen erfolgt.

Alle drei Gruppen bekamen Kinowerbung und danach einen kurzen Film zu sehen. Nach einer kurzen Nachbefragung, die hier nicht wichtig ist, wurden sie dann erstmal nach Hause geschickt, um eine Woche später zur Nachuntersuchung in ein Café eingeladen zu werden. Hier bekamen sie von den Versuchsleitern 4 Euro zur Verfügung gestellt – 2 Euro konnten für die eigene Verköstigung ausgegeben werden, mit einem Euro sollten sie an einem Stand angebotene Body Lotion kaufen und den letzten Euro sollten sie spenden. Muss ich noch erwähnen, dass 50% der angebotenen Body Lotions und 50% der zur Verfügung stehenden Hilfsorganisationen bei der Kinositzung beworben worden waren?

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Kinowerbung nur dann ihre Wirkung entfaltet, wenn der Mund nicht mit Kauen beschäftigt ist, bzw. dass Nahrungsaufnahme sogar schädlich für die Werbewirkung ist. Die Probanden der Gruppe 3 griffen überzufällig häufig, nämlich mit 59%iger Wahrscheinlichkeit, zu den beworbenen Body Lotions, bzw. spendeten das Geld an beworbene Organisationen. Gruppe 1 und 2 zeigten hingegen keinen Werbeeffekt. Nur mit 39%iger Wahrscheinlichkeit landete ihr Geld bei den beworbenen Produkten oder Organisationen, was statistisch signifikant unter dem zu erwartenden Zufall (50%) liegt.

Anton Porsche (superanton.de) / pixelio.de

Anton Porsche (superanton.de) / pixelio.de

Um ihren Ergebnissen mehr Gewicht zu verleihen, wiederholten die Wissenschaftler ihre Studie noch einmal in einem echten Kino, unter realen Bedingungen, mit anschließender Messung der werbeinduzierten Einstellungsveränderung gegenüber den beworbenen Produkten. Wiederum war eine Woche später der Werbeeffekt nur bei solchen Probanden nachweisbar, die nicht mit ihrem Popcorn beschäftigt waren. Allerdings hatte Popcorn essen wenigstens keinen negativen Einfluss mehr.

So wie es scheint, ist der Verkauf von Popcorn zwar für die betreibenden Kinos umsatzrelevant, für Unternehmen, die Kinowerbung schalten, jedoch in hohem Maße kontraproduktiv.

Wieso stört Nahrungsaufnahme den Effekt von Kinowerbung?

Die genauen Einzelheiten sind mir zwar nicht bekannt, es scheint aber so zu sein, dass Menschen, wenn sie das erste mal neuen (Marken-)Namen begegnen, diese ganz automatisch und unbewusst lautlos nachsprechen. Stört man dieses automatische Nachsprechen, leidet darunter das Abspeichern der Information ins Gedächtnis – mit den besprochenen Folgen.

Natürlich gibt es eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten, die gefundenen Effekte zu erklären. Gerade deshalb würden mich die neurowissenschaftlichen Grundlagen dieses Effekts interessieren, die aber leider nicht mitgeliefert werden.

Aber auch ohne diese bleibt festzuhalten: Der Verzehr von Popcorn während der Präsentation von Kinowerbung ist zumindest aus Sicht der werbenden Unternehmen keine gute Idee.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Kinowerbung wird für gewöhnlich sehr aufmerksam verfolgt, was natürlich im Sinne der Werbetreibenden ist. Allerdings wird zu Beginn eines Kinoabends auch nicht selten Popcorn gegessen, was einer neuen Studie zufolge nachweislich einen negativen Einfluss auf die Werbewirkung hat. Wie es scheint, ist stilles, unbewusstes Nachsprechen beim Erlernen neuer Markennamen hilfreich.

Referenzen

Topolinski, S., Lindner, S. & Freudenberg, A. (2013). Popcorn in the cinema: Oral interference sabotages advertising effects. Journal of Consumer Psychology, in press.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Rainer Sturm / pixelio.de