Die komplexe Wirkung von Dopamin

Die komplexe Wirkung von Dopamin

Wenn man im Marketing vom Belohnungssystem spricht, dann sind zumeist jene Hirnstrukturen gemeint, die mit dem Botenstoff Dopamin kommunizieren. Das dopaminerge System, wie man es in der Neurowissenschaft nennt, reagiert auf die Erwartung einer bevorstehenden Belohnung. Das kann eine Fahrt im Sportwagen sein, ein attraktiver Mensch des anderen Geschlechts – oder was auch immer.

Soweit wir wissen, ist Aktivität im dopaminergen System der beste Prädiktor  für eine Kaufentscheidung. Wir kaufen Dinge, weil wir uns von ihnen eine Belohnung erhoffen.

Leider haben wir bis heute keine wirklich gute Möglichkeit, Veränderungen im Dopaminspiegel über die Zeit zu messen. Die Erfassung von Aktivitätsveränderungen im dopaminergen System mittels fMRT ist eine Möglichkeit, wenngleich mit dem Problem der Realitätsferne behaftet. Aus diesem Grund sind Neuromarketer immer auf der Suche nach anderen Signalen, die zumindest verwandte Informationen liefern können.

Dopamin als Bindeglied zwischen Neuromarketing/EEG und Neurowissenschaft/fMRT

Nehmen wir als Beispiel die von mir schon mehrfach beschriebene frontale alpha Asymmetrie. Wir wissen, dass dieses EEG Signal in der Lage ist,  Kaufentscheidungen vorherzusagendeswegen wird es im Neuromarketing so gern eingesetzt. Auch Aktivitätsveränderungen im dopaminergen Belohnungssystem sagen, wie schon erwähnt, Kaufentscheidungen vorher. Heißt das im Umkehrschluss, dass die frontale alpha Asymmetrie durch Dopamin moduliert wird?

Nicht zwangsläufig.

Außerdem wissen wir auch, dass sich Menschen in Bezug auf ihre frontale alpha Asymmetrie unterscheiden. Manch einer zeigt generell links frontal stärkere Aktivität, manch anderer eher rechts frontal. Aus der Grundlagenforschung ist darüber hinaus bekannt, dass auch der Dopaminspiegel von Mensch zu Mensch unterschiedlich hoch ausfällt.

Ein weiterer Hinweis?

Wacker und Kollegen (2013) nutzten diese Hinweise als Motivation für eine sehr interessante Studie – deren Ergebnisse weit über das hinaus gehen, was eigentlich untersucht wurde. Wenn ihr euch also nicht für Details interessiert: Auf jeden Fall den Abschnitt über die Praxisbedeutung lesen – ich verspreche, es lohnt sich.

Um den Zusammenhang zwischen Dopamin und dem EEG Signal zu untersuchen, luden Wacker und Kollegen (2013) insgesamt gut 180 männliche Probanden ins Labor. Im Rahmen einer größeren Studie wurde etwa der Hälfte der Probanden ein Placebo verabreicht, die andere Hälfte bekam eine Kapsel mit einem Dopamin-Blocker zu schlucken. Dann wurden unterschiedliche Untersuchungen durchgeführt, die für diese Studie nicht wirklich von Belang waren. Allerdings gab es ein wichtiges Detail: Die Studie wurde komplett von weiblichen Versuchsleiterinnen durchgeführt, welche die Instruktion hatten die Probanden möglichst neutral und geschäftsmäßig zu behandeln. Der Versuchsablauf folgte einem spezifischen, vorab festgelegten Design, um interindividuelle Unterschiede in der Versuchsdurchführung minimieren zu können. Nach Aufnahme der EEG Daten im Ruhezustand wurden die Probanden dann entlassen…

…nur um ein Jahr später erneut kontaktiert zu werden. Dieses mal wurden sie gefragt, wie dominant sich die Versuchsleiterin ein Jahr zuvor verhalten hatte und wie attraktiv sie gewesen war. Eine Schlüsselfrage, wie sich herausstellte.

Die Ergebnisse

Berücksichtigt man alle Variablen in der statistischen Auswertung des Experiments, erhält man folgendes Bild: Männliche Probanden, die laut Persönlichkeitsfragebogen zu einem Promotionsfokus tendieren, zeigen verstärkte links-frontale Aktivität im EEG – wie schon andernorts besprochen und daher erwartet. Die Gabe eines Dopamin-Blockers kehrt diesen Effekt um – allerdings nur dann, wenn das Experiment von einer Experimentatorin durchgeführt wurde, die als sehr attraktiv empfunden wurde! Zudem scheint auch die genetische Ausstattung der Probanden eine Rolle zu spielen, da eine Analyse eines catechol-O-methyltransferase (COMT) Gens, genauer des COMT Val-158Met polymorphism (keine Sorge, ist nicht wichtig den Namen zu verstehen – ich versteh ihn auch nicht!) den gleichen Effekt zeigte: Bei attraktiven Experimentatorinnen gab es einen EEG Effekt, bei unattraktiven nicht.

Das ist deshalb interessant, weil dieses Gen nachweislich eine wichtige Rolle beim Dopaminabbau im Frontalhirn spielt.

Beide Effekte zeigen, dass eine Einflussnahme auf den präfrontalen Dopaminspiegel – entweder durch Gabe eines Dopamin-Blockers oder durch Wahl einer Stichprobe, die genetisch in diesem Bereich vorbelastet ist – die frontale alpha Asymmetrie bei männlichen Probanden beeinflusst, vorausgesetzt es ist eine attraktive Frau anwesend.

Und was bedeutet das für die Praxis?

Wir wissen, dass das dopaminerge System die wichtigste Schaltstelle ist, wenn wir Kaufentscheidungen treffen. Offenbar sind die Einflussfaktoren auf den Dopaminspiegel aber vielfältig:

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Alles muss zusammenkommen, damit das Dopamin steigt.
Günter Havlena / pixelio.de

1. Wir wissen, dass Menschen von Natur aus unterschiedlich stark Dopamin ausschütten – und dass die Gene hier eine wichtige Rolle spielen. Manche Menschen kaufen also wahrscheinlich eher als andere… Marketing sollte sich entsprechend um eine gute Definition der Zielgruppe bemühen.

2. Der Dopaminspiegel hängt aber auch von der momentanen Verfassung ab. Persönlichkeitsfragebögen, egal wie gut sie sind, erfassen immer auch zu einem Teil das akute Befinden. Deshalb sollte sich das Marketing darum bemühen, potenzielle Kunden in “Shoppinglaune” (spich: Hohe Bereitschaft zur Dopaminausschüttung) zu versetzen. Und schließlich

3. All das ist nicht genug. Der äußere Anreiz (hier: die attraktive Versuchsleiterin) muss ebenfalls gegeben sein.

Ein Einkauf kommt nur zustande, wenn die richtige Zielgruppe in der richtigen Stimmung auf das richtige Produkt trifft. Alle drei Faktoren müssen zwingend bei der Marketingstrategie bedacht werden, sonst wird der Einkauf nicht funktionieren.

Das gute daran: Die Studie von Wacker und Kollegen (2013) zeigt, dass man diese Einflüsse mittels EEG identifizieren kann.

Neuromarketing funktioniert.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Dopamin, EEG Signale zur Annäherungsmotivation und Kaufentscheidungen hängen nachweislich zusammen. Das schwierige ist: Nur wenn Person (Zielgruppe), aktuelle Stimmung (Emotion) und Produkt aufeinander passen, steigt der Dopaminspiegel. Das Gute: Mittels EEG kann man diesen Anstieg messen. So wird es möglich den Einfluss von Umgebung, Zielgruppe und Produkt auf die Kaufentscheidungen vorherzusagen.

Referenzen

Wacker, J., Mueller, E. M., Pizzagalli, D. A., Hennig, J., & Stemmler, G. (2013). Dopamine-D2-Receptor Blockade Reverses the Association Between Trait Approach Motivation and Frontal Asymmetry in an Approach-Motivation Context. Psychological Science, 24(4), 489-497.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Rike / pixelio.de