Macht Werbung glücklich?

Macht Werbung glücklich?

Aufmerksame Leser dieses Blogs wissen vielleicht, dass ich in regelmäßigem Austausch mit dem Glücksdetektiv stehe, einer Bloggerin, die zur wissenschaftlich fundierten Suche nach einem erfüllten Leben schreibt. Dort wurde letzte Woche gefragt, ob Glück käuflich sei, mit einer erwartbaren aber dennoch enttäuschenden Antwort:

“Weder die Turnschuhe, noch das Auto, der Lippenstift oder die Geflügelwurst können uns wirklich glücklich machen. [...] Auf Dauer hat noch keines dieser Produkte erreicht, dass wir geliebt oder zufriedener werden.”

Dieses Thema aufgreifend, möchte ich heute aus meiner Sicht der Frage nachgehen: Macht Werbung glücklich? – wie immer neurowissenschaftlich argumentiert.

Die erste Schwierigkeit, auf die man bei dem Versuch der Beantwortung dieser Frage stößt, ist Glück hirnphysiologisch zu verorten. Dies würde eine operationale Definition von Glück voraussetzen, also eine Technik oder Vorgehensweise, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei einer eng umschriebenen Zielgruppe zuverlässig Glücksgefühle auslöst. Da es selbst innerhalb der Gemeinde der Glücksforscher anscheinend unterschiedliche Ansichten zum Thema Glück gibt (siehe diesen Beitrag des Glücksdetektivs), ist es gar nicht so einfach eine solche zu finden, vor allem nicht, da Glück noch immer hauptsächlich über subjektive Befragungen erfasst wird.

Wechselt man aber die Sprache und übersetzt “Glück” ins Englische, landet man beim Begriff “happiness” – und dieser ist mir aus der Emotionsforschung nur allzu gut bekannt (Chemali, Chahine & Naassan, 2008), inklusive assoziierter neuroanatomischer Hirnstrukturen. Meine weiteren Ausführungen werden sich also exklusiv auf Glück im Sinne von “happiness” beziehen.

Espressolia / pixelio.de

Espressolia / pixelio.de

Der Begriff “happiness” bezeichnet in der englischsprachigen Fachliteratur ein Gefühl der Freude oder des Glücks, ausgelöst durch die Erinnerung selbst erlebter Glücksmomente, positiver Sinneseindrücke oder unerwarteter Ereignisse, die gestellte Erwartungen in positiver Art und Weise übertreffen. Emotionsforscher wie Jaak Panksepp sehen happiness beispielsweise als positive Emotion innerhalb des PLAY Systems. Einer wirklich großartigen Literaturanalyse von Katherine Vytal und Stephen Hamann (2010) zufolge ist happiness mit Aktivität im rechten superioren Temporallappen, den rechten Basalganglien sowie dem links-hemisphärischen Cerebellum, Thalamus, inferioren Occipitallappen, lingual Gyrus, dem linken anterioren cingulären Kortex sowie der linken Insula assoziiert. Ja, genau, eben jener Insula, von der ich im Beitrag zur Wahrnehmung von Zahlen noch sagte, sie würde bei steigenden Preisen zunehmen.

Wer nun aber glaubt, dass steigende Preise uns glücklich machen, dem sei dieser Artikel wärmstens empfohlen.

Zurück zur eigentlichen Frage: Macht Werbung glücklich?

Wenn wir Glück als einen emotionalen Zustand definieren, dann gibt es zumindest zahlreiche Belege dafür, dass kurze Filmsequenzen in der Lage sind, konkrete Emotionen auszulösen – unter anderem auch happiness (z.B. Aftanas, Reva, Savotina & Makhnev, 2006). Filmclips und Videos gehören zu den meist genutzten Stimuli in der Emotionsforschung, und es spricht wenig dagegen, dass die durch Filmclips gewonnenen Erkenntnisse nicht auch auf Werbespots übertragbar sind. Nicht umsonst ist der Nucleus accumbens, eine Hirnregion, die wie keine andere mit einem positiven Belohnungs(oder Glücks-)gefühl assoziiert ist, der wahrscheinlich beste neurophysiologische Prädiktor für Werbeerfolg (Knutson, Rick, Wimmer, Prelec & Loewenstein, 2007). Je stärker der Nucleus accumbens aktiv ist, desto größer ist das Belohnungsgefühl, desto wahrscheinlicher kommt es zu einem Produktkauf – das durch Werbung vermittelte Belohnungs- oder Glücksgefühl spielt also eine entscheidende Rolle. Dies wird auch daran deutlich, dass viele der an der Werbewahrnehmung und Kaufentscheidung beteiligten Hirnstrukturen mit dem Neurotransmitter Dopamin arbeiten – dem populärwissenschaftlich bekannten “Glückshormon”.

Natürlich sind all das keine wirklichen “Beweise” dafür, dass Werbung glücklich machen kann, und mir ist keine Studie bekannt, die Werbematerial nutzt, um Glück zu untersuchen. Da gibt es sicherlich (hoffentlich?!) bessere Wege für die Wissenschaft.

Was bedeutet das alles? Macht Werbung glücklich oder nicht?

Alle neurophysiologischen Daten, die ich mir angesehen habe, sprechen eher dafür, dass Werbung kurze Momente des Glücks hervorrufen kann – vorausgesetzt man versteht Glück tatsächlich als eine Emotion. Emotionen sind aber per Definition kurzlebig – wer auf der Suche nach dauerhaften Glück ist oder ein insgesamt glücklicheres Leben führen möchte, der sollte mehr tun als sich regelmäßig vor den Fernsehen zu setzen oder bei Youtube Werbeclips zu schauen – sich zum Beispiel an den Glücksdetektiv wenden.

Meiner bescheidenen Meinung nach kann Werbung tatsächlich glücklich machen. Mich zum Beispiel macht die Beschäftigung mit Werbung derzeit sehr glücklich – allerdings nutze ich Werbung ja auch nicht nur, um meine Kauflust zu befriedigen :-)

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Sandra Schmitz / pixelio.de

Sandra Schmitz / pixelio.de

Dauerhaftes Glück ist vielleicht nicht käuflich – aber Werbung kann, wenn richtig eingesetzt, durchaus für kurze Momente des Glücks sorgen. Zahlreiche neurowissenschaftliche Studien belegen, dass gut gemachte Werbung die neuronalen Emotionsnetzwerke anspricht, den Konsumenten also emotional erreicht. Dauerhaftes Glück wird durch Werbung nicht erreicht – wäre aber auch zu viel verlangt.

Referenzen

Aftanas, L. I., Reva, N. V., Savotina, L. N. & Makhnev, V. P. (2006). Neurophysiological correlates of induced discrete emotions in humans: An individually oriented analysis. Neuroscience and Behavioral Physiology, 26(2), 119-130.

Chemali, Z. N., Chahine, L. M. & Naassan, G. (2008). On happiness: A minimalist perspective on a complex neural circuitry and its psychological constructs. Journal of Happiness Studies, 9(4), 489-501.

Knutson, B., Rick, S., Wimmer, E., Prelec, D. & Loewenstein, G. (2007). Neural predictors of purchases. Neuron, 53, 147-156.

Vytal, K. & Hamann, S. (2010). Neuroimaging support for discrete neural correlates of basic emotions: A voxel-based meta-analysis. Journal of Cognitive Neuroscience, 22(12), 2864-2885.

Nachwort

Wer in diesem Beitrag eine Werbemaßnahme für den Blog Glücksdetektiv.de sieht, liegt damit falsch. Es ist keine Werbung, sondern eine von Herzen kommende und durch diesen Beitrag themenbezogene Empfehlung.