Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen

Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen

Marken und Markenführung sind unter anderem deshalb so prominente Themen in der Marketingwelt, weil Marken menschliche Entscheidungen beeinflussen. Vor allem schwierige Entscheidungen. Und schwerwiegende Entscheidungen.

Ich habe auf diesem Blog darüber geredet, welche Hirnareale starke von schwachen Marken unterscheiden – mit einem Vergleich von Pepsi und Coke. Darüber, dass starke Marken sogar einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Eigenschaften eines Produkts haben können. Ich habe darüber geredet, dass die Lieblingsmarke eines Konsumenten einen besonderen Status besitzt – der darüber hinaus auch neuronal nachweisbar ist. Es gibt offenbar keine “Zweitlieblingsmarke” – nur einen ersten Platz unter dem Rest.

juli.gänseblümchen / pixelio.de

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Worüber ich nicht gesprochen habe, ist die eigentliche Stärke von Marken: Der Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen.

Ob wir Bier der einen Marke oder der anderen kaufen – seien wir ehrlich, das ist nicht wirklich wichtig. Aber was passiert, wenn es wirklich wichtig wird? Wenn es um Babynahrung geht – immerhin die Lebensmittel unseres Nachwuchses. Um unseren Job? Um unsere Sicherheit?

Wie groß ist der Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen?

Was geht währenddessen in uns vor?

Der Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen – eine fMRI Studie

Plassmann, Kenning, Deppe, Kugel und Schwindt (2008) untersuchten den Einfluss von Lieblings- und sonstigen Marken bei unterschiedlich schwierigen Entscheidungen. Hierzu nutzten sie eine leichte Abwandlung ihrer bereits hier besprochenen Studie: Den Probanden wurden parallel je zwei Markenbilder präsentiert und sie wurden gebeten zu entscheiden, welche der beiden Marken sie eher kaufen würden. Verwendet wurden unterschiedliche Reiseanbieter, von TUI bis Thomas Cook.

DigiPyramid / pixelio.de

DigiPyramid / pixelio.de

Interessant daran: In der Hälfte der Fälle sollte entschieden werden, welcher Anbieter für eine Reise z.B. in den Scharzwald gebucht würde – also für die Reise in eine politisch stabile und sehr sichere Region. In der anderen Hälfte der Fälle sollte die Reise in ein gefährliches Land gehen – Beispiele werden im Text leider nicht genannt. Dies sollte den Entscheidungsprozess erschweren und dem Probanden eine vielschichtige Entscheidung abverlangen, um den Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen zu testen.

Und das kam dabei heraus…

Zunächst das auf den ersten Blick erstaunliche Ergebnis: Die Daten von Plassmann et al. (2008) legen nahe, dass der Einfluss der Markenpräferenz nicht unabhängig vom Entscheidungsontext gesehen werden kann, da es keine neuronale Struktur gab, die mit der Lieblingsmarke der Probanden unabhängig von der Aufgabenschwierigkeit korrelierte. Dies legt nahe, dass Markenpräferenz im Gehirn unterschiedlich wirkt und dass die Schwierigkeit einer Kaufentscheidung einen Einfluss darauf hat, welche Markeninformationen verarbeitet werden.

Auch bei unserer Lieblingsmarke!

Tatsächlich fanden Plassmann et al. (2008) nur dann signifikante Effekte, wenn sowohl die Markenmanipulation als auch die Schwierigkeitsmanipulation in der Analyse berücksichtigt wurden. Leider schlüsseln sie ihren Effekt nicht weiter auf, aber es sieht so aus, als wäre das Netzwerk bestehend aus bilateralen ventromedialen Präfrontalkortex, dem linken anterioren cingulären Gyrus und dem rechten Precuneus dann am aktivsten, wenn die Lieblingsmarke zur Wahl steht und die Wahl eine schwere ist.

Dies lässt einige interessante Vermutungen zu.

Was bedeutet dieses Ergebnis für den Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen?

Ich persönlich ziehe aus den Daten zwei Schlussfolgerungen – die jedoch mit Vorsicht zu genießen sind, da nur ein Effekt statistische Signifikanz erreichte und Nulleffekte schwer zu interpretieren sind.

Zum einen schließe ich mich den Autoren an, die behaupten einen Hinweis dafür gefunden zu haben, dass a) Markenpräferenzen nicht unabhängig von den Entscheidungskontexten gesehen werden können, in denen sie entstehen. Dies legt darüber hinaus nahe, dass eine Marke b) nur dann eine messbare Wirkung zeigt, wenn sie auch tatsächlich dazu in der Lage ist, eine Kaufentscheidung zu vereinfachen, also einen sinnvollen Beitrag zur Kaufentscheidung zu leisten.

Das Forschungsdesign von Plassmann et al. (2008) lässt es leider nicht zu, die Ergebnisse in größerem Detail zu betrachten – ich vermute aber, dass auch in diesem Fall Emotionen und die in diesem Beitrag besprochenen Emotionssysteme eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Die in der Studie angesprochene Manipulation (sicheres versus unsicheres Reiseziel) hat nämlich einen starken Bezug zum menschlichen Sicherheitssystem – und dass Marken, die nicht auf dieses System laden, nicht zur Entscheidungsfindung beitragen, liegt irgendwie auf der Hand. Wäre es um einen Entspannungsurlaub gegangen, wären hingegen andere Anforderungen an die Marke zu stellen gewesen. Ich schätze, dies hätte zu gänzlich anderen Ergebnissen geführt.

Wie gesagt: Mit den Daten von Plassmann et al. (2008) lässt sich meine Vermutung nicht untersuchen. Dazu bräuchte es weitere Studien. Die Ergebnisse legen aber nahe, dass Marken umso bedeutender werden, je relevanter und schwerwiegender eine Kaufentscheidung ist – aber das wa ja auch schon vorher bekannt.

Für mich ist außerem interessant, dass die Ergebnisse zum Sonderstatus von Lieblingsmarken, die ich hier besprochen habe, nicht repliziert werden konnten – was vermutlich an Unterschieden im Studiendesign liegt. Zum Beispiel war in dieser Studie den Probanden bewusst, dass sie ihre Lieblingsmarke zu Gesicht bekommen würden (immerhin wurden sie im Vorfeld der Studie dazu befragt). Dies kann einen enormen Einfluss haben.

Festzuhalten bleibt aber der messbare Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen und die Abhängigkeit des Markeneinflusses vom Entscheidungskontext, welcher in diesem Maße nicht unbedingt erwartet worden war.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Die Untersuchung vom Markeneinfluss bei schwierigen Entscheidungen belegt, dass auch unsere Lieblingsmarken, denen allgemein ein neuronal nachweisbarer Sonderstatus zugesprochen wird, nur dann einen Einfluss entfalten können, wenn sie eine komplexe Kaufentscheidung vereinfachen. Ein grundsätzlicher Einfluss unabhängig vom Entscheidungskontext ist hingegen nicht nachweisbar. Somit sind sie in ihrer Wirksamkeit nicht uneingeschränkt.

Referenzen

Plassmann, H., Kenning, P., Deppe, M., Kugel, H. & Schwindt, W. (2008). How choice ambiguity modulates activity in brain areas representing brand preference: evidence from consumer neuroscience. Journal of Consumer Behaviour, 7, 360-367.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Rainer Sturm / pixelio.de