Markenpräferenz im Gehirn: The Winner Takes It All

Markenpräferenz im Gehirn: The Winner Takes It All

Nachdem mein Beitrag zum Pepsi versus Coke Vergleich mittlerweile der meist gelesene Beitrag dieses Blogs ist, habe ich beschlossen ein bisschen mehr auf das Thema Marken und Markenführung einzugehen. Immerhin ist diese ja von großer Bedeutung fürs Marketing. Den Anfang macht eine m.M.n. sehr bekannte Studie aus dem Jahr 2005, also eine der ersten neurowissenschaftlichen Studien überhaupt, die untersuchten, wie unser Gehirn Marken verarbeitet.

Zudem wartet sie mit einem für den einen oder anderen vielleicht erstaunlichen Ergebnis auf.

Alexander Klaus / pixelio.de

Alexander Klaus / pixelio.de

Die Autoren wählten für ihre Untersuchung eine an sich erstmal sehr einfache experimentelle Anordnung: Die Probanden wurden in einen fMRT Scanner geschoben und es wurden ihnen während der Messung jeweils zeitgleich zwei Bilder präsentiert. Männliche Teilnehmer bekamen Bilder von Biermarken präsentiert, weibliche Teilnehmer Bilder von Kaffeemarken zu sehen. Ihre Aufgabe war es mental zu entscheiden, welche der beiden präsentierten Marken sie eher kaufen würden.

Zwei Wochen nach diesen Erhebungen wurden die Probanden dann erneut befragt, und zwar wurden sie gebeten die Marken, die ihnen zuvor präsentiert worden waren, anhand der persönlichen Präferenz zu sortieren. Ziel war es herauszufinden, welche die bevorzugte Bier- oder Kaffeemarke der Probanden ist, um dann schauen zu können wie sich die Markenpräferenz im Gehirn abbildet1.

Die Annahme, die diesem Untersuchungsdesign zugrunde liegt – und welche die Autoren auch explizit äußern – ist folgende: Wenn der Markenpräferenz ein bestimmter Prozess zugrunde liegt, sollte sich dieser neuronal verorten lassen. Und je mehr ein Proband eine bestimmte Marke bevorzugt, desto mehr sollte die entsprechende Hirnregion bei simulierten Kaufentscheidungen aktiv sein.

Klingt ganz logisch. Oder nicht?

Markenpräferenz im Gehirn  – welche Netzwerke waren aktiv?

Wenn man sich nicht tagaus, tagein mit neurowissenschaftlichen Daten und der Funktionsweise des Gehirns beschäftigt, dann kann es überraschend sein, dass das menschliche Gehirn nicht nach dieser linearen Logik funktioniert. Schon gar nicht in Bezug auf evolutionsgeschichtlich so junge (und unrelevante) Konzepte wie Marken.

Die Ergebnisse von Michael Deppe und Kollegen (2005) zeigen relativ klar, dass Kaufentscheidungen, die unsere Lieblingsmarke beinhalten, im Gehirn ganz andere Prozesse ins Laufen bringen, als es bei Alternativmarken der Fall ist. Zunächst einmal konnte in den Daten keine einzige Hirnregion gefunden werden, deren Aktivität mit der später angegebenen Präferenzreihenfolge der Probanden korrelierte. Dies legt nahe, dass verschieden stark präferierte Marken auch verschiedene Prozesse ansprechen. Ein direkter Vergleich der Lieblingsmarke mit allen anderen bestätigte diese Annahme.

Marianne J. / pixelio.de

Marianne J. / pixelio.de

Stand die Lieblingsmarke zur Wahl, war verstärkte Aktivität in Netzwerken zu beobachten, die für gewöhnlich an der Integration von Hintergrundwissen mit aktuellem Input, episodischem Gedächtnisabruf und Selbstreflektion beteiligt sind (z.B. der anteriore mediale präfrontale Kortex, der inferiore Precuneus und der posteriore zinguläre Kortex). Dies spricht dafür, dass die Markenpräferenz im Gehirn durch einen starken Selbstbezug repräsentiert ist. Natürlich zeigten auch Strukturen wie der ventromediale Präfrontalkortex, der mit der Verarbeitung von Emotionen und deren Einfluss aufs Entscheidungsverhalten assoziiert ist, verstärke Aktivität. Dem gegenüber steht das Ergebnis, dass laut Studie Hirnbereiche, die für Planung und vernunftsbasierte Entscheidungsfindung zuständig sind (z.B. weite Teile des inferioren und mittleren Frontalkortex, sowie Teile des Parietalkortex).

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass unser Verstand aussetzen würde, wenn wir unsere Lieblingsmarke sehen. Ich nehme an, diese Aussage bezog sich auf besagte Studie, muss aber zugleich feststellen, dass sie eine Überinterpretation der Ergebnisse ist.

Die Daten von Deppe et al. (2005) legen nahe, dass unsere Lieblingsmarke dazu in der Lage ist, uns emotional anzusprechen und dass eine Entscheidung für einen Kauf unserer Lieblingsmarke zu großen Teilen auf emotionalen “Argumenten” fußt. Wenn beim Anblick einer Marke emotionale Assoziationen geweckt werden, ist das ein starkes und vor allem schnell verfügbares Motiv für einen Kauf – natürlich nur sofern die Assoziationen positiv sind. Ohne emotionale Assoziationen bleibt dem Gehirn nur ein aufwendiger, rationaler Bewertungsprozess, auf dem eine Entscheidung aufbauen kann.

Mit anderen Worten: Wir tun gut daran unsere Produkte und Marken möglichst emotional positiv aufzuladen.

Ist dies einmal gelungen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Kunden der Marke treu bleiben. Denn warum sollten wir etwas Neues probieren, wenn wir doch wissen, dass das altbewährte gut ist?

Logik und Rationalität spielen bei der Markenpräferenz im Gehirn anscheinend eine untergeordnete Rolle…

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Anders als oft angenommen ist die Markenpräferenz im Gehirn nicht linear repräsentiert, sondern folgt einem „Winner takes all!“ Prinzip. Wenn das Gehirn einmal positive Emotionen mit einer Marke verknüpft hat, wird diese auch im Angesicht von Wettbewerbern nicht rational-logisch hinterfragt. Deswegen ist es auch so schwer sich gegen Etablierte durchzusetzen.

Fußnote

1 In Wahrheit war das Design etwas komplexer, weil die Wissenschaftler ein sogenanntes Blockdesign verwendeten, das heißt eine bestimmte Marke mal überzufällig häufig, mal extrem selten präsentierten, aber vorab nicht wissen konnten, welche Marken ihre Probanden bevorzugen würden. Für die Ergebnisse sind diese Details nicht relevant. Ich erwähne es nur, weil die Daten aufgrund dieses Designs auf einer eher kleinen Stichprobe beruhen.

Referenzen

Deppe, M., Schwindt, W., Kugel, H., Plaßmann, H. & Kenning, P. (2005). Nonlinear responses within the medial prefrontal cortex reveal when specific implicit information influences economic decision making. Journal of Neuroimaging, 15, 171-182.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Albrecht E. Arnold / pixelio.de