Methoden im Neuromarketing: fNIRS

Methoden im Neuromarketing: fNIRS

Die meisten neurowissenschaftlichen Untersuchungen in der universitären und kommerziellen Forschung zum Konsumentenverhalten verwenden als Methode entweder die schon seit Jahrzehnten etablierte Elektroencephalografie (EEG) oder die in den letzten Jahren zur Methode der Wahl avancierte funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT). Beide Methoden habe ich im Rahmen dieses Blogs bereits ausführlich vorgestellt – zu beiden Methoden habe ich bereits zahlreiche Studien beschrieben.

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So in etwa sieht ein fNRIS aus

In den letzten gut 12 Monaten stolpere ich aber vermehrt über Neuromarketing Unternehmen, die ihr Portfolio durch weitere aus der Grundlagenforschung bekannte neurokognitive Methoden ergänzen: die funktionelle Nahinfrarot-Spektroskopie (kurz: fNIRS).

Grund genug, sich einmal näher mit dieser Methode zu beschäftigen.

Was ist fNIRS – und was misst es eigentlich?

Möchte man die Funktionsweise von fNIRS verstehen, ist es am besten, man beginnt mit den Grundlagen der fMRT. Beide Methoden beruhen letztendlich auf der Annahme, dass unser Gehirn unter Last vermehrt Ressourcen verbraucht und dass unser Körper diese Ressourcen in Form einer veränderten Sauerstoffsättigung in den aktiven Hirnarealen auch zur Verfügung stellt. Dies wird in der Fachsprache auch als “neurovaskuläre Kopplung” bezeichnet.

Veränderungen der Sauerstoffsättigung des Blutes gehen mit Veränderungen seiner magnetischen Eigenschaften einher – ein Umstand, den man mittels fMRT extrem hochaufgelöst aufzeichnen und quantifizieren kann. Hieraus lassen sich dann wiederum Rückschlüsse auf verschiedene kognitive oder motorische Prozesse ziehen.

Wie man aber vielleicht noch aus dem Biologieunterricht weiß, hat eine veränderte Sauerstoffsättigung des Blutes darüber hinaus auch Einfluss auf seine optischen Eigenschaften: arterielles, mit Sauerstoff angereichertes Blut ist heller als beispielsweise venöses Blut, in dem ein Teil des angereicherten Sauerstoffs bereits verbraucht wurde. Das bedeutet, dass das Blut in den Teilen unseres Gehirns, die gerade stark aktiv sind, schneller abdunkeln müsste, als in weniger aktiven Teilen. Und damit hat man einen weiteren Indikator, der Veränderungen in der Sauerstoffsättigung des Blutes anzeigen kann.

Man muss ihn nur zuverlässig messen.

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Mit Licht die Hirnaktivität untersuchen? Mit fNIRS möglich…
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fNIRS ist, wie der Name schon sagt, eine optische Methode. Wir alle haben als kleine Kinder mit Taschenlampen gespielt und uns diese beizeiten in den Mund gehalten, um zu sehen, wie lustig rot die Wangen leuchten. Dieses rote Licht, das man sieht, ist der für uns Menschen wahrnehmbare Teil des Lichts im nahinfraroten Spektrum und es hat eine sehr nützliche Eigenschaft: Es durchdringt (zu einem gewissen Teil) lebendes Gewebe.

Darum leuchten unsere Wangen rot, wenn wir eine Taschenlampe in den Mund nehmen.

Was wir als Kinder aber nicht wissen, ist, dass auch vom nahinfraroten Licht ein gewisser Teil durch unser Gewebe absorbiert und reflektiert wird – und zwar mal mehr, mal weniger, abhängig von den optischen Eigenschaften des Gewebes. Wenn man also durch einen geeigneten Detektor aufzeichnet, wie viel Licht aus dem Gewebe wieder zurückkommt, kann man daraus Rückschlüsse auf den Sauerstoffgehalt des das Gewebe durchfließenden Blutes ziehen.

Woraus sich dann aufgrund der schon beschriebenen neurovaskulären Kopplung Rückschlüsse auf die neuronale Aktivität ziehen ließen.

Genau das macht man bei der fNIRS.

Wofür man fNIRS – im Neuromarketing – einsetzen kann

Da fNIRS auf ähnlichen Pronzipien wie fMRT aufbaut, kann es auch für ganz ähnliche Fragestellungen eingesetzt werden – und zunehmend geschiet das auch tatsächlich. Im direkten Vergleich zur fMRT ist fNIRS wesentlich preiswerter, sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt, und sie bedarf keiner spezifischen Messumgebung mit abgeschirmter Kammer. fNIRS kann in jedem Labor verwendet werden, Probanden müssen sich nicht in eine Röhre legen, sondern können, ähnlich wie beim EEG, aufrecht sitzen – ideale Voraussetzungen für die angewandte Forschung, könnte man meinen, gerade in Bezug auf Werbewirksamkeitsanalysen vor einem richtigen Fernseher oder Webshopanalysen am normalen PC.

Wie alles im Leben sind diese Eigenschaften aber auf Kosten einiger gravierender Nachteile zu genießen…

Warum ich als Unternehmer (noch) kein fNIRS basiertes Neuromarketing bezahlen würde…

Wie jede Methode hat auch die fNIRS Grenzen. Beispielsweise wird das nahinfrarote Licht nicht nur reflektiert, sondern eben auch absorbiert, weshalb Durchblutungsveränderungen in den tieferen Schichten des Gehirns nicht gemessen werden können. Als Daumenregel sagt man, das fNIRS Signal reicht bis etwa 2,5cm unter die Schädeloberfläche.

Für Entscheidungsprozesse ist das unter Umständen ausreichend. Für emotionale Prozesse eher nicht.

Hinzu kommt, dass fNIRS keinen Unterschied macht, woher die veränderten optischen Eigenschaften des unter der Lichtquelle liegenden Gewebes stammen. Ob nun das Kapillarbett in unserer Stirnhaut oder im darunter liegenden Hirngewebe weniger sauerstoffangereichertes Blut transportiert, können wir nicht unterscheiden. Will man dieses zum Beispiel von Kirilina et al (2012) nachgewiesene Problem umgehen, wird es aufwendig – und damit fürs Neuromarketing uninteressant.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

FNIRS ist eine spannende Methode, die fMRT eines Tages vielleicht in einigen Bereichen ersetzen kann – gerade in der angewandten Forschung. Derzeit bestehen aber noch zu viele Probleme, um die Methode gewinnbringend im Neuromarketing zu etablieren. Meine Empfehlung: Finger weg und lieber ein gutes EEG oder fMRT basiertes Unternehmen beauftragen.

Referenzen

Kirilina, E., Jelzow, A., Heine, A., Niessing, M., Wabnitz, H., Brühl, R., … Tachtsidis, I. (2012). The physiological origin of task-evoked systemic artefacts in functional near infrared spectroscopy. NeuroImage, 61(1), 70-81.