Methoden im Neuromarketing: fMRT

Methoden im Neuromarketing: fMRT

Die funktionelle Magentresonanztomografie (kurz: fMRT, im Englischen fMRI) hat die Hirnforschung revolutioniert. Innerhalb kürzester Zeit sind Hirnscans, wie sie gern genannt werden, zur meist genutzten Methode in neurowissenschaftlichen Untersuchungen geworden – klar, dass sich auch die Marktforschung ihrer bedient. Was aber verbirgt sich hinter dieser Methode? Wie funktioniert fMRT und welchen Mehrwert bieten die gewonnenen Daten?

fMRT Aktivitaet

Martin Witte / Wikipedia.de

Wirft man einen Blick auf die bekannten bunten Bildchen (siehe links), scheint die Geschichte schnell erzählt: Man legt einen Probanden in einen Magnetresonanztomografen (MRT), lässt ihn ihrendwelche Sachen machen/denken/fühlen, drückt ein paar Knöpfe und auf dem Rechner erscheint eine detailgetreue Abbildung seines Gehirns, inklusive einer gelb-roten Markierung der Hirnbereiche, die aktiv gewesen sind. Mit ein bisschen Wissen um den anatomischen und funktionalen Aufbau des Gehirns lässt sich dann anhand der Aktivität feststellen, was gerade gemacht/gedacht/gefühlt wurde. Marketer brauchen ihren potenziellen Kunden also nur noch neuentwickelte Produkte und Werbespots zeigen, während diese im Scanner liegen und anhand der fMRT Bilder wissen sie, ob das Produkt gekauft wird oder nicht – Gedankenlesen für Anfänger, quasi.

So einfach kann Wissenschaft sein! – zumindest wird das suggeriert.

Die BOLD Antwort: Grundlage der fMRT

Die Realität ist allerdings – wie so oft – etwas komplizierter. Das fängt schon damit an, dass ein MRT gar nicht die Hirnaktivität, also die elektro-chemischen neuronalen Signale selbst misst, sondern ein auf Unterschiede in der Sauerstoffsättigung des Blutes zurückzuführendes Signal: die sogenannte BOLD Antwort (BOLD = blood oxygen level dependent).

Wer im Chemieunterricht gut aufgepasst hat, erinnert sich vielleicht noch daran, dass Atome als (elektromagnetische) Dipole beschrieben werden können. Dies führt dazu, dass sie sich an einem starken Magnetfeld entlang der Feldlinien ausrichten. Versetzt man die Atome nun in Schwingung, beispielsweise durch einen Radioimpuls, kippen sie kurzzeitig, nur um sich dann erneut nach dem Magnetfeld auszurichten. Diesen Vorgang nennt man Relaxation.

Bei der fMRT macht man sich nun zunutze, dass die magnetischen Eigenschaften von sauerstoffarmen und sauerstoffreichem Blutes die Relaxation beeinflussen. Schiebt man einen Probanden in einen MRT – also in ein starkes statisches Magnetfeld – richten sich die Wasserstoffatome im Blut des Probanden anhand dieses Magnetfeldes aus. Dies hat keinen Einfluss auf die normalen Arbeitsprozesse des Gehirns – wird dem Probanden also beispielsweise ein Werbespot präsentiert, verbrauchen die an der Verarbeitung des Werbespots beteiligten Hirnreale weiterhin Sauerstoff, was zu einer kurzzeitigen Verringerung des Sauerstoffgehalts im angrenzenden Kapillarbett führt. Aufgrund der sogenannten neurovaskulären Kopplung folgt auf die Verringerung der Sauerstoffsättigung eine Überkompensation, bei der mehr sauerstoffreiches Blut nachfließt, als zunähst verbraucht wurde. Da aber sauerstoffarmes und sauerstoffreiches Blut unterschiedliche magnetische Eigenschaften besitzen, hat die Sauerstoffsättigung des Blutes in einem gegebenen Bereich einen Einfluss auf die Geschwindigkeit der Relaxation.

In einem Satz: Das im fMRT gemessene Signal unterscheidet sich je nach Sauerstoffsättigung des Blutes.

(Wen die genauen messtechnischen Details interessieren, der sei an das Lehrbuch Biologische Psychologie von Birbaumer und Schmidt (2003) verwiesen.)

Der Weg vom Signal zum Bild

KasugaHuang / wikipedia.com

KasugaHuang / wikipedia.com

Nachdem ich – hoffentlich halbwegs verständlich – die Frage nach den Grundlagen der fMRT beantwortet und klargestellt habe, dass sie nicht die neuronale Verarbeitung selbst, sondern die durch die neuronale Verarbeitung ausgelösten Stoffwechselprozesse abbildet, weiter mit der zweiten Frage: Was zeigen fMRT Bilder eigentlich (wirklich)?

Die Antwort: fMRT Bilder zeigen nicht die Hirnaktivität während eines Verarbeitungsprozesses. Sie zeigen Unterschiede in neuronaler Aktivität zwischen zwei Prozessen.

Man muss sich das wie folgt vorstellen: Eine einzige fMRT Aufnahme besteht aus mehreren tausend Datenpunkten, sogenannten Voxel (= 3dimensionales Equivalent eines 2dimensionalen Pixel). Jedes Voxel kodiert die Sauerstoffsättigung in einem normalerweise 3x3x3 Millimeter großen Bereich des Gehirns zu einem gegebenen Zeitpunkt – und weil das menschliche Gehirn zu jedem Zeitpunkt durchblutet ist, weiß man ohne Vergleichswert nicht, ob eine Hirnregion durch einen gegebenen Prozess (z.B. Betrachtung von Werbung) angesprochen wird, oder nicht. Erst wenn man zwei Aufnahmen vergleicht, kann man statistisch errechnen, welche Bereiche des Gehirns mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit unterschiedliche Werte aufweisen. Diese Wahrscheinlichkeiten sind es, die farbkodiert auf den Abbildungen zu sehen sind – Wahrscheinlichkeiten eines Unterschieds zwischen zwei Aufnahmen.

Und trotzdem ist es nicht ganz falsch, wenn man sagt, die Bilder würden Hirnaktivität zeigen, denn letzten Endes sollte diese ja die Grundlage der Unterschiede sein!

Why go neuro…? Wie die fMRT beim Marketing helfen kann

Der Schluss von mittels fMRT gemessener Hirnaktivität auf die zugrunde liegenden kognitiven Prozesse ist, wie ich in meinem Bericht über diese sogenannten reverse inferences geschrieben habe, logisch problematisch. Wir können mittels fMRT keine Gedanken lesen. Noch nicht.

Es gibt auch nicht das eine Hirnareal, das, wenn es in fMRT Bildern aufleuchtet, fehlerfrei vorhersagt, ob der gemessene Proband das ihm präsentierte Produkt kauft. Der Kaufknopf, über den viel geschrieben wurde, existiert nicht, Kaufentscheidungen sind multikausal.

Und genau aus diesem Grund braucht die Ökonomie die Neurowissenschaften.

Die sogenannte Neuroökonomie, eine Wissenschaft, die sich mit dem Zustandekommen von Entscheidungen beschäftigt, hat in den letzten ungefähr zwanzig Jahren große Fortschritte darin gemacht zu erklären, welche Faktoren die menschliche Entscheidungsfindung beeinflussen. Ohne fMRT wären diese schnellen Fortschritte wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Heute weiß man, dass Teile des Striatums und vor allem der nucleus accumbens immer dann aktiv werden, wenn ein Stimulus eine belohnende Wirkung auf den Betrachter hat. Man weiß, dass beispielsweise die Insula, eine unter anderem an der Emotionsverarbeitung beteiligte Struktur, auch für die Kaufentscheidung eine entscheidende Rolle spielt. Beide Strukturen sind Teil eines Netzwerks, dessen Aktivität dazu genutzt werden kann, Kaufentscheidungen vorherzusagen.

FMRT Studien haben also durchaus einen Mehrwert fürs Marketing und können sowohl indirekt durch die neuroökonomische Grundlagenforschung als auch direkt durch die Vorhersage von Kaufentscheidungen zur Optimierung von Werbeprozessen beitragen – auch wenn sie aufgrund der aufwendigen Datenerhebung und Auswertung meist etwas teurer sind, als beispielsweise EEG Studien. Einen niedrigen fünfstelligen Betrag sollte man wahrscheinlich kalkulieren, wenn man eine fMRT Studie in Auftrag gibt.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) hat die neurowissenschaftliche Forschung revolutioniert. FMRT ermöglicht die hochaufgelöste Abbildung von Stoffwechselprozessen im Gehirn, was den Rückschluss auf neuronale Aktivität erlaubt. So ist es praktisch möglich, dem Hirn bei der Arbeit zuzusehen, was auch fürs Marketing interessante Möglichkeiten bietet – auch wenn es keinen Kaufknopf gibt.

Referenzen

Birbaumer, N. & Schmidt, R. F. (2003). Biologische Psychologie. Berlin: Springer

 

Artikelbild aus dieser Broschüre zum Thema, erstellt von Siemens.