Neuromarketing: Die große Wirkung kleiner Details

Neuromarketing: Die große Wirkung kleiner Details

Letzte Woche habe ich eine Studie vorgestellt, die in bisher nicht dagewesener Weise aufzeigt, wie gut Neuromarketing sein kann, wenn man es richtig macht. Knapp 60% bessere Vorhersage von realen Marktdaten durch die Messung der Aktivität im Nucleus Accumbens als mit normalen Befragungen zu erwarten – auch wenn es schon vorab Hinweise darauf gab, ein so deutliches Ergebnis hatte ich nicht erwartet.

Das zweite Ergebnis, das mich überraschte, war, wie schlecht Untersuchungen mittels EEG in der Studie von Venkatraman et al. (2014) abschnitten – immerhin schlechter als direkte Befragungsmethoden.

Die große Frage ist: Warum? Und ich glaube ich habe eine Antwort.

Zwei Perspektiven: Das große Ganze und die Details

Venkatraman et al. (2014) untersuchten verschiedene Werbespots und analysierten die mittlere Aktivität, die durch diese Werbespots ausgelöst wurde. Als Ergebnis erhielten sie dann genau einen Kennwert für jeden 30sekündigen Werbespot – und diese verglichen sie miteinander.

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Manchmal sind es die Details in Werbespots, die den Effekt ausmachen. Man muss sie nur finden.
Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Erst kürzlich habe ich aber einen interessantes Argument gehört, welches verdeutlicht, warum dieses Vorgehen vielleicht nicht optimal ist. In Bezug auf die Wichtigkeit von Details wurde mir gesagt:

“Es ist schön zu wissen, dass ein See im Mittel nur 5 cm tief ist. Dennoch kann es sein, dass jemand darin ertrinkt.”

Soll heißen: Nur weil es im Mittel keinen Unterschied gibt, heißt das nicht, dass einzelne Elemente der Werbung nicht durchaus einen starken Einfluss auf den Betrachter ausüben können. Es geht nicht immer nur darum, das große Ganze im Blick zu behalten. Manchmal sind es die Details, auf die es ankommt.

Und genau um die soll es heute gehen.

Details in Werbespots: Große Wirkung

Bereits in den ersten Beiträgen, die auf diesem Blog veröffentlicht wurden, bin ich auf die Untersuchung von TV Werbespots durch EEG eingegangen. Die gleiche Arbeitsgruppe, die EEG basiertes Neuromarketing in die Werbewirksamkeitsforschung einführte, untersuchte natürlich auch, ob die von ihnen mittels EEG identifizierten Szenen überhaupt einen messbaren Effekt auf das tatsächliche Entscheidungsverhalten von Konsumenten haben.

Ehe ich auf die Details eingehe, schonmal das Ergebnis: Natürlich haben sie.

Ohme et al. (2009) untersuchten anhand eines Werbespots für eine Hautcreme den Effekt des Werbespots auf potenzielle Konsumenten. Genau gesagt zeigten sie einer Probandengruppe insgesamt zwölf Werbespots, darunter zwei Versionen des selben Spots, die sich nur in einer kleinen Szene unterschieden: Im einen Fall berührte das im Spot gezeigte Model seine Gesicht mit der eigenen Hand, im anderen Fall fehlte diese Szene einfach.

Während der Werbepräsentation erhoben sie nicht nur EEG, sondern auch die Aktivität der Gesichtsmuskulatur und Veränderungen des Hautleitwiderstands, um ein umfassendes Bild der emotionalen Reaktion der Probanden zu erhalten. Immerhin wissen wir: Es sind Emotionen, auf die es beim Verkaufen ankommt. Und die Studie zeigt eindrucksvoll, dass solch kleine Details wie eine ca. 4 Sekunden lange Sequenz einen großen Einfluss auf das Erleben des Konsumenten haben können.

Alle drei erhobenen Maße zeigten einen Unterschied zwischen den beiden Spots zum Zeitpunkt der besagten Szene, auch wenn die Unterschiede nicht immer statistische Signifikanz erlangten. In Vorbefragungen war niemandem der Unterschied aufgefallen – und wer sich selbst einen Eindruck vom Unterschied verschaffen möchte, dem sei das folgende Video empfohlen.

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Hier zeigt der Erstautor der Studie selbst, wie er seine Daten interpretiert.

Bis hierhin sind die Ergebnisse im Wesentlichen Replikationen anderer Untersuchungen – spannend wird es erst, wenn man den Vortest mit berücksichtigt, den Ohme et al. (2009) berichten. Noch vor der EEG Studie wurde nämlich ein kleiner Verhaltenstest gemacht um zu schauen, welche der beiden Werbespotversionen am Ende ausgestrahlt werden sollte. Je 40 weibliche Testkundinnen wurden ins Labor eingeladen, um ein wenig TV zu schauen, unterbrochen von ein paar Werbepausen. Eine Gruppe sah Version 1 des oben beschriebenen Spots, eine andere Gruppe sah Version 2 und eine dritte Gruppe sah das Produkt gar nicht.

Anschließend wurde die Erinnerung für die beworbenen Produkte und Informationen über die Produkte abgefragt. Außerdem erhielt jede Probandin die Möglichkeit, sich eines von verschiedenen Produkten als Dankeschön mit nach Hause zu nehmen.

Das bemerkenswerte: Probandinnen, welche die längere Spotversion gesehen hatten, konnten sich zwar nicht besser an die Produkte erinnern, als Probandinnen, welche die gekürzte Version gesehen hatten – aber sie konnten sich an mehr Details erinnern und nahmen insgesamt 14% öfter die beworbene Hautpflegecreme mit nach Hause. Dies beweist: Eine kleine Szene kann einen großen Einfluss auf unser Entscheidungsverhalten haben.

Und mittels Neuromarketing können wir diese Szenen identifizieren.

Fazit: Was diese Studie für Neuromarketing bedeutet

Kleine Details in Werbespots können eine große Wirkung entwickeln – selbst dann, wenn diese Details niemandem bewusst auffallen. Neuromarketing kann dabei helfen, diese Details zu identifizieren – wenn man es richtig macht.

Und damit schließt sich der Kreis.

Die Studie von Ohme et al. (2009) sowie auch meine eigenen Arbeiten zeigen, dass EEG basiertes Neuromarketing in der Lage ist, reales Entscheidungs- und Kaufverhalten vorherzusagen – besser, als dies mit herkömmlichen Befragungsmethoden der Fall ist. Allerdings muss man dazu auch auf die Details achten und darf sie nicht, wie es Venkatraman et al. (2014) getan haben, wegmitteln.

Details in Werbespots entfalten mitunter eine große Wirkung.

Doch wenn wir Neuromarketing nicht oder falsch einsetzen, kann es passieren, dass wir diese Wirkung nicht entdecken.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Es geht nicht immer um das große Ganze – manchmal sind es die Details in Werbespots, die den Konsumenten zum Kauf verführen. Die hier beschriebene Studie zeigt, dass eine kurze Szene, die von niemandem bewusst bemerkt wird, insgesamt 14% Verhaltensänderung nach sich zieht. Solche Details entdecken wir nur mit Neuromarketing.

Referenzen

Ohme, R., Reykowska, D., Wiener, D. & Choromanska, A. (2009). Analysis of Neurophysiological Reactions to Advertising Stimuli by Means of EEG and Galvanic Skin Response Measures. Journal of Neuroscience, Psychology, and Economics, 2(1), 21-31.

Venkatraman et al. (2014). Predicting Advertising Success Beyond Traditional Measures: New Insights from Neurophysiological Methods and Market Response Modeling. Journal of Marketing Research, in press.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Rainer Sturm / pixelio.de