Neuromarketing fürs Employer Branding?!

Neuromarketing fürs Employer Branding?!

Einer der häufigsten Kritikpunkte an Neuromarketing – und in meinen Augen ein sehr berechtigter! – ist dass Neuromarketing eigentlich zum größten Teil “neurowissenschaftliche Werbewirkungsforschung” ist. Man braucht sich nur die bisherigen Beiträge in diesem Blog ansehen: Werbewirkung, wohin das Auge fällt. Dabei ist Marketing so viel mehr als bloße Promotion. Es geht um Preise, es geht um Produktentwicklung, es geht um strategische Entscheidungen…

…und es geht um Personal.

Employer Branding ist hier das Stichwort – und auch wenn Employer Branding ein für die Neurowissenschaft sehr neues Konzept ist, weshalb es entsprechend wenig (lies: bislang gar nicht!) untersucht wurde, so ist es von einiger Bedeutung fürs Personalmarketing.
Grund genug, sich dem Thema einmal zu näher.

Employer Branding und seine Wirkung im Hirn

Eine erst vor kurzem veröffentlichte Studie von Rampl, Opitz, Welpe und Kenning (2016) stellte sich im Kern die Frage: Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Employer Branding und klassischem Consumer Branding, welches ja bekanntlich vor allem auf emotionaler Ebene wirkt? Die Entscheidung darüber, ob ein potenzieller Arbeitgeber ein guter Arbeitgeber sein wird, ist schließlich etwas folgenreicher als die Entscheidung darüber, welchen Joghurt ich kaufe: Im einen Fall gebe ich einmalig einen (kleinen) Geldbetrag hin, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu erhalten, im anderen Fall bekomme ich idealerweise regelmäßig und auf unbestimmte Zeit einen ungleich höheren Betrag überwiesen.
Ein großer Unterschied, wenn ihr mich fragt.
Sollten da nicht “rationale” Überlegungen überwiegen, um zu einer “vernünftigen” Entscheidung zu gelangen?

employerbranding_pants-1255851_640Wer die Entscheidungsprozesse bei Menschen kennt, weiß, dass die Autoren eine andere Vermutung hatten. Und diese überprüften sie.

Einem etablierten Studiendesign von Deppe und Kollegen folgend präsentierten sie ihren Probanden pro Durchgang je zwei Marken unterschiedlicher Arbeitgeber, verbunden mit der Frage, für welche der beiden Optionen sie eher arbeiten wollen würden. Insgesamt wurden 23 Logos real existierender, in Deutschland vertretener Unternehmen gezeigt und 25 Probanden im fMRT gemessen. Dabei wurde darauf geachtet, dass für jeden Probanden die persönliche Relevanz der verwendeten Arbeitgebermarken gegeben war.
Wichtig: Genau wir in der Modellstudie zur Verarbeitung von Konsumgütermarken wurde auch in dieser Studie darauf geachtet, dass in einigen Trials die “First Choice Brand”, also der Wunscharbeitgeber enthalten war.

Dies ermöglichte der Vergleich zwischen “Lieblingsarbeitgeber” und “Sonstigen”.

Genug der Vorrede: Zu den Fakten!

Beim Vergleich von Entscheidungen, die als Option die First Choice Brand enthielten, mit Durchgängen, in denen zwischen zwei “Alternativen” gewählt werden musste, beobachteten Rampl und Kollegen (2016) erhöhte Aktivität im ventro-medialen Präfrontalkortex (VMPFC) und im cingulären Kortex. Den VMPFC kennt man vor allem aus Studien, bei denen emotionale Inhalte aus sogenannten “somatic markern” abgerufen werden, sprich emotionale Vorerfahrungen und Erlebnisse, die verhaltensrelevant sind. Der VMPFC repräsentiert soetwas wie den emotionalen Teil einer Entscheidung.

Das erinnert mich daran, dass ich endlich mal einen Beitrag über die somatic marker Hypothese schreiben wollte… Naja.

Der cinguläre Kortex ist ebenfalls bekannt aus der Forschung zur Entscheidungsfindung und hier vor allem beim Abwägen verschiedener Optionen und der Integration dieser Optionen in Handlungen. Auch dem cingulären Kortex wird eine Rolle im emotionalen Erleben, bzw. der Verarbeitung emotionaler Prozesse zugeschrieben. Mit anderen Worten:

employerbranding_building-804526_640Emotionen spielen auch beim Employer Branding eine wichtige Rolle! Und da Hirnregionen wie der dorsolaterale Präfrontalkortex (DLPFC), der vor allem aus Studien zu bewussten Bewertungsprozessen bekannt ist, in der vorliegenden Studie zumindest in weiten Teilen eine Verringerung der Aktivität aufwies, kann man davon ausgehen, dass auch im Employer Branding letztlich Emotionen entscheiden, für welchen Arbeitsgeber wir uns entscheiden.

Consumer Branding und Employer Branding: der direkte Vergleich

Es ist schon ein, zweimal angeklungen: Die Employer Branding Studie folgt dem selben Studiendesign, wie die Studie von Deppe und Kollegen (2005). Es wurden Aktivierung in ähnlichen (bzw. sogar weitgehend identischen) Hirnarealen berichtet. Was liegt da näher, als beide Studien direkt miteinander zu vergleichen?

Gesagt, getan.

Insgesamt 31% der im Employer Branding aktivierten Hirnareale waren auch im Consumer Branding aktiv. Hierzu zählten unter anderem die bereits erwähnten Strukturen des DLPFC und VMPFC.
Darüber hinaus waren insgesamt 6% der im Employer Branding deaktivierten Areale auch im Consumer Branding deaktiviert. Das bedeutet, dass Consumer Branding und Employer Branding auf zumindest teilweise den gleichen Verarbeitungsmustern beruhen, dass es aber auch – wie erwartet – erhebliche Unterschiede gibt.

Über die Ursachen dieser Unterschiede kann die vorliegende Studie leider keinen Aufschluss geben.

Fazit

Es ist schon im Intro angeklungen: Menschen entscheiden hauptsächlich emotional. Immer. Ohne Ausnahme. Ob es sich dabei um den Kauf eines Joghurts, einen neuen Job, den Ehepartner oder das gemeinsame Haus geht, ist vollkommen gleich.
Wir sind nunmal so.

Viel spannender sind eigentlich die Unterschiede zwischen Consumer Branding und Employer Branding, zu denen die vorliegende Studie natürlich keine Aussage machen kann, da für eine andere Fragestellung designt. Die Studie macht einen schönen Aufschlag und es wird interessant sein zu sehen, ob es in Zukunft weitere Neuro-Studien zum Thema Personalentscheidungen und Human Ressources geben wird.

Es würde mich freuen.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Es ist bekannt, dass Consumer Branding vor allem die emotionalen Bereiche des Gehirns anspricht und kognitive Bereiche entlastet. Die Studie von Rampl und Kollegen (2016) weist nach, dass dies auch beim Employer Branding der Fall ist. Zwischen Consumer Branding und Employer Branding gibt es einige Übereinstimmungen – und viele Unterschiede.

Referenzen

Deppe, M., Schwindt, W., Kugel, H., Plaßmann, H. & Kenning, P. (2005). Nonlinear responses within the medial prefrontal cortex reveal when specific implicit information influences economic decision making. Journal of Neuroimaging, 15, 171-182.

Rampl, L. V., Opitz, C., Welpe, I. M. & Kenning, P. (2016). The role of emotions in decision-making on employer brands: Insights from functional magnetic resonance imaging (fMRI). Marketing Letters, 27, 361-374.