Priming - neuronale Netzwerke im Marketing

Priming – neuronale Netzwerke im Marketing

Ich hatte es letzte Woche schon angekündigt. Zudem ist gerade Ostern (frohe Feiertage an dieser Stelle!), und wie andernorts bereits beschrieben, spielt an solchen Feiertagen das auf der Co-Aktivierung neuronaler Netzwerke beruhende saisonale Marketing eine wichtige Rolle. Grund genug, sich einmal ausfühlich mit dem sogenannten Priming auseinanderzusetzen.

Wenn man sich wie ich des öfteren mit Laien über Werbemaßnahmen und Marketing unterhält, hört man regelmäßig folgenden Satz: “Das soll dafür sorgen, dass ich in den Laden gehe und Geld ausgebe?”

296988_web_R_K_B_by_RainerSturm_pixelio.de

Rainer Sturm / pixelio.de

Ja. Soll es.

“Glaube ich nicht. Ich kaufe nur, was ich brauche.”

Ich weiß. Aber das ist ja gerade der Trick. Du glaubst, dass du nur kaufst, was du brauchst. Aber Werbung wirkt. Nachweislich. Wissenschaftlich bewiesen. Auch bei dir.

Natürlich nur selten unmittelbar oder direkt.

Aber: Jede Werbemaßnahme, jeder Werbespot sorgt dafür, dass die präsentierte Marke oder das präsentierte Produkt mit bestimmten Dingen assoziiert wird. Egal, ob du die Werbemaßnahme beachtest oder nicht. Das Gehirn verarbeitet mehr Informationen, als dir bewusst ist. Und es speichert diese eingehenden Informationen in Form von Verknüpfungen in neuronalen Netzwerken.

Wichtig ist dabei nicht, der Zusammenhang zweier Dinge – man sagt auch: die Assoziation – kausaler Natur ist. Dicke Menschen sind nicht automatisch weniger intelligent als dünne Menschen, und trotzdem ist uns das Wortpaar “Dick und Doof” unglaublich geläufig. Dass das so ist, liegt unter anderem am sogenannten Striatum, einer Struktur im Großhirn, zu der auch der schon besprochene Nucleus Accumbens zählt und die eine wichtige Rolle beim Assoziationslernen verschiedener Stimuli, zwischen Stimuli und Belohnungen und zwischen Stimuli und Handlungen spielt (Liljeholm & O’Doherty, 2012).

“Wer A sagt, muss auch B sagen” – genau für diese Zusammenhänge ist das Striatum da.

Was haben Priming und Assoziationslernen mit Werbung zu tun?

Wer das AIDA Modell der Werbewirksamkeit kennt, weiß, dass oft postuliert wird, Werbung müsse ein Bedürfnis (engl.: Desire) kreieren, welches durch den Konsum des beworbenen Produkts befriedigt wird. Das ist auch sicherlich nicht falsch, will man seinen Absatz steigern, aber es ist auch nur ein möglicher Weg.

Gute Werbung wirkt noch viel subtiler.

Mein Lieblingsbeispiel für gute Werbung ist der mittlerweile wieder häufiger zu betrachtende Spot für Wrigleys 5 Gum. Wird dort eine klare Botschaft vermittelt? Wird dort, im Sinne des AIDA Modells, Überzeugungsarbeit geleistet? Vielleicht im Claim, aber eine wirkliche Persuasion findet nicht statt.

Content not available.
Please allow cookies by clicking Accept on the banner

Stattdessen weckt der Spot Emotionen im Betrachter. Neugier. Eine diffuse Lust auf Action. Adrenalin.

Zumindest ist das bei mir der Fall.

Durch assoziatives Lernen werden diese Gefühle mit der Marke 5 Gum verknüpft und somit wird 5 Gum Teil des neuronalen Netzwerks, das für Action und neue Eindrücke verantwortlich ist. Werbewirkung basiert quasi auf assoziativem Lernen. Und ist eine Marke erstmal fest in einem Netzwerk verankert, hat dies zwei Konsequenzen:

Erstens: Wann immer ich in eine Situation komme, in der mein Adrenalin steigt, in der sich mein Körper auf Action einstellt, in der ich Abwechslung erfahre, wird die neuronale Repräsentation der Marke 5 Gum mit aktiviert. Damit wiederum steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich 5 Gum konsumiere. Oder kaufe. Wenn ich denn Gelegenheit dazu habe.

Zweitens: Wann immer mir langweilig wird, mich Monotonie plagt und ich aktiv etwas dagegen unternehmen möchte, steigt ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass ich 5 Gum konsumiere.

Und genau diesen Mechanismus, die Voraktivierung von Netzwerken, in denen Marken repräsentiert sind – Priming – können sich Unternehmen zunutze machen. In jedem Supermarkt, der mittels In Store Marketing Action und Abwechslung fokussiert, braucht Wrigleys keinen Cent für zusätzliche Werbung ausgeben. Priming und die Platzierung von 5 Gum im entsprechenden neuronalen Netzwerk sorgen für den Absatz. Selbst kleine Hinweise – das Plakat eines Sportwagens im Hintergrund, leicht aufputschende Musik, der Kommentar eines vorbeilaufenden Kunden – können Priming initiieren und zu einem Kaufabschluss führen.

Semantisches und affektives Priming

Der Priming Prozess, den ich bisher beschrieben habe – eine Marke wird mit einer Emotion verknüpft, sodass sie Teil des Emotionsnetzwerks wird – nennt man affektives Priming und ist der Grund dafür, dass Emotionen als so wichtig für Werbung und Marketing angesehen werden. Manche Emotionsforscher gehen davon aus, dass unsere Emotionsnetzwerke zu jedem Zeitpunkt in der einen oder anderen Form aktiv sind. Damit wären wir zu jedem Zeitpunkt für die eine oder andere Form des affektiven Primings ansprechbar.

Etwas anders sieht es beim sogenannten semantischen Priming aus, als der Verknüpfung zweier Stimuli aufgrund ihrer Bedeutung. Mein Lieblingsbeispiel für semantisches Priming ist das Wort Cola. Wer Cola hört (oder liest), denkt an Coka Cola. Nicht an Pepsi. Obwohl beides Cola Getränke sind, hat es Coke geschafft, das Wort Cola mit der eigenen Marke semantisch so stark zu verknüpfen, dass die beiden Worte zu einer Einheit geworden sind. Sie sind neuronal so stark verknüpft, dass Aktivierung des einen Netzwerks das andere automatisch mit anspricht.

Das ist semantisches Priming.

Auch semantisches Priming kann für Unternehmen sinnvoll sein, wie das Cola Beispiel zeigt. Wer an Haarschuppen denkt, denkt an Head & Shoulders. Wer an Haarausfall denkt, denkt an Alpecin. Und wer ein Smartphone will, kommt um den Gedanken an ein iPhone nicht herum. Semantisches Priming kann aber auch nach hinten losgehen. Nicht selten sagt jemand, er müsse noch Tempos kaufen, meint damit aber Taschentücher, unabhängig von der Marke. Werbung für den Marktführer fungiert automatisch auch als Prime für die Produkte der Wettbewerber, also für die gesamte semantisch verwandte Produktkategorie.

Und aus diesem Grund sind Emotionen in der Werbung und das damit initiierte affektive Priming fürs Marketing so wichtig.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Affektives Priming ist die Grundlage von Werbewirksamkeit: Marken und Produkte werden mit bestimmten Emotionen verknüpft, sodass sie Teil ihrer neuronalen Repräsentation werden. Hierdurch steigt die Wahrscheinlichkeit für entsprechenden Konsum bei vorliegen der spezifischen Emotion. Semantisches Priming beschreibt im Gegensatz dazu die Bedeutungsverknüpfung zweier Stimuli und ist für Werber weniger attraktiv.

Referenzen

Liljeholm, M. & O’Doherty, J. P. (2012). Contributions of the striatum to learning, motivation, and performance: an associative account. TRENDS in Cognitive Sciences, 16(9), 467-475.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Fabian Forban / pixelio.de

Nachtrag: Dass ich in diesem Beitrag ein paar Haarshampoo Beispiele nenne, erscheint mir ebenfalls Ergebnis eines Priming Prozesses, da ich gerade ein Marketing Buch lese, in welchem viele Fallbeispiele mit Kosmetikartikeln und Haarpflegeprodukten vorkommen…