Shopaholics - wenn Kaufen zur Sucht wird

Shopaholics – wenn Kaufen zur Sucht wird

In letzter Zeit beschäftige ich mich berufsbedingt immer mal wieder mit den Themen Abhängigkeit und Sucht. Aus einem mir nicht bekannten Grund scheint “Sucht” ein neuer Modebegriff im Marketing geworden zu sein – alle möglichen Produkte haben auf einmal Sucht- und Abhängigkeitspotenzial. Mal wird das negativ ausgelegt (Zucker macht süchtig, Nasenspray macht abhängig), mal eher positiv (siehe meinen Beitrag zu Sucht bei Serienkonsum). Und nur selten sind die Artikel wirklich fundiert.

Die WHO hat einen klaren Kriterienkatalog erarbeitet der definiert, ab wann man von einer Abhängigkeit sprechen sollte. Aktivität im doperminergen Belohnungssystem, welches bei bekannten Suchtpatienten tatsächlich nachweislich anders auf suchtauslösende Reize reagiert, als bei gesunden Menschen, gehört dabei allerdings weder zu den notwendigen, noch zu den hinreichenden Bedingungen einer Sucht. Wichtiger sind ein starkes Verlangen nach dem Objekt der Begierde, Entzugserscheinungen bei längerfristiger Abstinenz, der Verlust von Kontrolle, das Inkaufnehmen von Nachteilen, sowie die Entwicklung einer gewissen Toleranz, was immer häufigeren und/oder intensiveren Konsum zur Stillung des Verlangens nach sich zieht.

Kaufsucht – die dunkle Seite des Marketings

Auch wenn ich normalerweise ein großer Freund von Werbung und Marketing bin, wissen regelmäßige Leser dieses Blogs, dass mir die Schattenseiten nicht egal sind. Jeder, der sein Geld ausgibt, trägt auch in gewisser Weise eine Verantwortung für das, was danach mit seinem Geld geschieht. Jeder, der ein Produkt oder eine Dienstleistung bewirbt, sollte sich darüber bewusst sein, dass es Menschen gibt, die sich gegen diese Form der Beeinflussung – auch ganz ohne Neuromarketing – nicht erwehren können.

Markus Wegner / pixelio.de

Für Shopaholics unwiderstehlich!
Markus Wegner / pixelio.de

Shopaholics, wie Kaufsüchtige auch genannt werden, erfüllen viele der Kriterien, die von der WHO erlassen wurden. Sie sind abhängig im wahrsten Sinne des Wortes, geben mehr Geld aus, als gut für sie ist, kaufen Dinge, die sie nicht brauchen. Und sie können diesen Zwang nicht willentlich kontrollieren.

Trotzdem werden sie von vielen nicht ernst genommen.

Vor ein paar Monaten bin ich das erste mal auf einen Artikel zum Thema Shopaholics gestoßen, der mich zum Nachdenken angeregt hat. Natürlich freut sich jeder Gewerbetreibende, wenn seine Produkte und Dienstleistungen reißenden Absatz finden. Und ein gesunder Konsument kann sich durchaus an einem gepfleten Einkauf durchaus erfreuen. Aber gilt das auch für Shopaholics? Können diese sich an einem Kauf erfreuen? Freuen sich Gewerbetreibende, wenn sie eine Sucht bedienen?

Was kann man von Shopaholics lernen?

Mein persönliches Interesse an Shopaholics ist vor allem wissenschaftlicher Natur. Wie kommt es zur Kaufsucht? Wie kann man sie verhindern oder kurieren? Aber auch: Was können wir aus der Kaufsucht über Werbewirksamkeitsmechanismen und Entscheidungsfindung lernen? Welche Prozesse sind gestört, sodass es zur Abhängigkeit kommt?

Noch habe ich keine Antwort auf diese Fragen gefunden.

Wenn ein gesunder Mensch einer Werbemaßnahme ausgesetzt ist oder ein Produkt angeboten bekommt, kann er sich bewusst machen, was ein Einkauf für ihn – im positiven wie im negativen – bedeutet und daraufhin eine rationale Entscheidung treffen. Shopaholics sind dazu leider nicht in der Lage.

Ich hoffe, dass diese Störung in den nächsten Jahren die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient – auch wenn sie weniger gesellschaftliche Relevanz besitzt als beispielsweise Alkohosucht oder Drogenkonsum. Glaubt man den Experten, sind zunehmend mehr Menschen von gestörtem Kaufverhalten betroffen, was mir persönlich zu denken gibt.

Ich finde nur: Als Mensch, der sich mit Marketing beschäftigt (so wie ich), sollte man sich der Existenz der Shopaholics bewusst sein.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Einkaufen macht nicht nur Spaß, es kann sogar zur Sucht werden. Noch wissen wir kaum etwas darüber, wie Kaufsucht entsteht und welche Prozesse der Kaufsucht zugrundeliegen. Sie zu verstehen kann aber sowohl dabei helfen die Sucht zu bekämpfen, als auch allgemeine Entscheidungsfindungsprozesse zu verstehen. Eine win-win Situation für alle Beteiligten.

 

Beitragsbild auf der Grundlage eines Fotos von Rainer Sturm / pixelio.de