Sportwagen sind sexy - oder nicht?

Sportwagen sind sexy – oder nicht?

Sportwagen gelten als Statussymbol, als Zeichen von Macht und Dominanz. Wer beispielsweise einen Ferrari fährt, fällt nicht nur auf im Straßenverkehr, er sendet auch eine klare Botschaft: “Seht her, ich kann mir dieses Schmuckstück leisten!” Das Gesamtpaket aus Dominanz, Macht, Status und Vermögen geht mit einem gewissen Sexappeal einher, wirkt anziehend auf das weibliche Geschlecht, steigert die eigene Attraktivität.

So zumindest suggeriert es die Werbung.

Aber was passiert wirklich im Kopf einer Person, die einen Sportwagen sieht? Sind Sportwagen sexy? Machen Sportwagen attraktiver als andere Automodelle?

 

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Oft liest man, dass die Studie von McClure und Kollegen (2004) und der darin vorgenommene Vergleich von Pepsi und Coke der Startschuss fürs Neuromarketing gewesen ist. Das stimmt jedoch nicht ganz. Die Studie und ihre Ergebnisse sorgten zwar dafür, dass Neuromarketing in den Fokus der Aufmerksamkeit rückte – ein Kickstart, wie ich es hier bezeichnet habe – es gibt jedoch auch neurowissenschaftliche Studien mit Marketing Bezug, die noch älter sind.

Um eine dieser Studien soll es heute gehen.

Ich sehe einen Sportwagen – was passiert im Gehirn?

Daimler-Chrysler interessierte sich Anfang der 2000er Jahre dafür, was im Kopf ihrer Kunden passiert, wenn diese einen Sportwagen sehen – und sie griffen tief in die Tasche, um ihre Neugier zu stillen. Finanziert von Daimler Chrysler Research schoben Susanne Erk und ihre Kollegen (Erk, Spitzer, Wunderlich, Galley & Walter, 2002) insgesamt zwölf männliche Probanden in einen fMRT Scanner. Ihre Aufgabe war es, die Attraktivität verschiedener Autos zu bewerten, wobei die Autos, welche die Probanden zu sehen bekamen, in drei unterschiedliche Kategorien fielen: Kleinwagen, Limousinen und die eben schon erwähnten Sportwagen.

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Sind Sportwagen attraktiver als das?
Rainer Sturm / pixelio.de

Die Idee der Autoren hinter dieser Studie ist schnell erklärt:

Wenn Sportwagen tatsächlich tatsächlich als Statussymbol fungieren, dann sollten sie zumindest in den Augen männlicher Probanden einen erhöhten Flirterfolg suggerieren und somit das dogaminerge Belohnungssystem ansprechen. Zumindest im Vergleich zu Kleinwagen und Limousinen, die weit weniger mit sozialem Status assoziiert und damit im biologischen Sinne weniger begehrenswert sind.

Die Ergebnisse

Zugegeben, das erste Ergebnis ist wenig überraschend: Ja, Sportwagen sprechen (im Vergleich zu Kleinwagen) das dopaminerge Belohnungssystem und hier vor allem das rechte ventrale Striatum und den linken Orbitofrontalkortex an. In den Daten von Erk und Kollegen (2002) ist ein klar abgestufter Effekt der neuronalen Aktivität im ventralen Striatum zu erkennen, mit starker Aktivität bei Sportwagenbildern, mittlerer Aktivität bei Limousinen und sogar vergleichsweise reduzierter Aktivität, wenn Kleinwagen präsentiert wurden. Dies spricht klar dafür, dass Sportwagen eine evolutionär-biologisch relevante Belohnung versprechen, und die naheliegendste Erklärung ist der durch den Besitz eines Sportwagens kommunizierte Statusgewinn.

Sportwagen machen also sexy! Zumindest in den Augen der 12 männlichen Probanden von Erk und Kollegen (2002).

Gestützt wird diese Interpretation durch Aktivitätsunterschiede in weiteren affektiv-emotionale Strukturen, allen voran dem bilateralen Präfrontalkortex und dem anterioren cinguläre Kortex. Beide Strukturen sind an der Emotionsverarbeitung beteiligt, wie sie hier besprochen wurde.

Eher unerwartet war hingegen das zweite Ergebnis: Sportwagen aktivieren die fusiforme face area, eine Struktur, der eine zentrale Rolle bei der Erkennung von Gesichtern nachgesagt wird. Auch hier konnte ein gestufter Effekt nachgewiesen werden, vergleichbar mit dem Striatum Effekt. Die verwendeten Stimuli zeigten jedoch einzig und allein Autos, kein Mensch war darauf zu sehen… Wie es scheint, erinnert die Anordnung der Scheinwerfern und des Kühlers so sehr an ein menschliches Gesicht erinnern, dass das Gehirn zusätzliche Ressourcen zur Verarbeitung des Stimulus bereitstellt.

Vielleicht ist das die Erklärung, warum sich zumindest einige Männer so sehr von Autos angezogen fühlen. Sie scheinen soziale Relevanz zu vermitteln – in einem evolutionären Sinn.

In jedem Fall erklärt es, warum wir Autos lieber von vorn als von der Seite oder von hinten betrachten.

Und der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass zahlreiche weitere Regionen signifikante Aktivitätsunterschiede aufwiesen, beispielsweise der für die visuelle Verarbeitung notwendige Occipitalkortex, die Insula und der lingual Gyrus. Auf diese werde ich aber nicht weiter eingehen.

Was bedeuten diese Ergebnisse für Daimler Chrysler

Die Studie von Erk und Kollegen (2002) wurde zwei Jahre vor der Studie von McClure und Kollegen (2004) veröffentlicht, führte aber nicht wirklich zu gesteigerter Popularität von Neuromarketing. Warum?

Hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich, dass man sich bei Daimler mehr erhofft hatte als zu erfahren, dass Sportwagen irgendwie attraktiv sind und dass die Front eines Sportwagens entfernt an ein Gesicht erinnert. Fürs Marketing sind diese Ergebnisse nicht großartig verwertbar und bei einer wahrscheinlich niedrigen bis mittleren fünfstelligen Investition erhofft man sich schon einen gewissen return.

Dennoch ist die Sportwagen Studie eingegangen in die Geschichte als eine der ersten Studien, die man dem jungen Feld des Neuromarketing zuordnen kann. Und wenn ich ehrlich bin: Seit damals hat sich vieles getan…

 

Bleibt mir noch euch zum Abschluss an das discover-neuro.de Gewinnspiel zu erinnern, ehe ich diesen Beitrag beende mit der

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Sportwagen, Limousinen und Kleinwagen unterscheiden sich in Bezug auf die durch sie ausgelöste Aktivität im ventralen Striatum, einer Kernregion des dopaminergen Belohnungssystems. Zusammengenommen mit Aktivität in Emotionsarealen wie dem präfrontalen und cingulären Kortex spricht dies dafür, dass sich zumindest männliche Probanden durchaus eine Belohnung von Sportwagen erhoffen. Sportwagen machen sexy!

Referenzen

Erk, S., Spitzer, M., Wunderlich, A. P., Galley, L. & Walter, H. (2002). Cultural objects modulate reward circuitry. NeuroReport, 13(18), 2499-2503.

McClure, S. M., Li, J., Tomlin, D., Cypert, K. S., Montague, L. M., & Montague, P. R. (2004). Neural Correlates of Behavioral Preference for Culturally Familiar Drinks. Neuron, 44, 379-397.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von Tim K. / pixelio.de