The Power of Neuromarketing

The Power of Neuromarketing

Der Begriff “Neuromarketing” geistert nun schon seit einigen Jahren durch die nationale und internationale Medienlandschaft. Allerdings ist vieles von dem, was man so liest, geprägt von Vorurteilen und Unwissenheit. Ziel dieses Blogs ist es, dem entgegen zu wirken und den Begriff “Neuromarketing” mit Leben zu füllen – mit wissenschaftlich fundierten Inhalten an Stelle von leeren Marketinghülsen und Angst vor Verbrauchermanipulation.

Als ich dabei war die letzten Designentscheidungen für diesen Blog zu treffen, bin ich über einen Emailalert auf diesen interessanten Artikel gestoßen. Die Kernaussage möchte ich kurz zitieren:

“There is increasingly “concern among government government regulators and consumer advocates” that studying subsconsious reactions to various ad tactics and then using the conclusions to sell products may yield “new forms of consumer deception and erode privacy rights,” the law firm writes.”

Neuromarketing bald vor Gericht?

Michael Grabscheit / pixelio.de

So wie es aussieht, gibt es in den USA eine gewisse Lobby, die sich darauf vorbereitet gegen den Einsatz von Neurowissenschaftlichen Methoden im Marketing vor Gericht zu ziehen. Sofern der Artikel Recht hat, bereitet die Anwaltskanzlei Covington & Burling bereits eine Klage vor, da Neuromarketing neue Formen der Verbrauchertäuschung ermöglichen und das Recht auf Privatsphäre unterwandern würde. Es ist die Rede von subtilen Werbetechniken, welche die rationalen Widerstandskräfte überwinden.

Aha. Als jemand, der sich schon seit einiger Zeit mit dem Thema beschäftigt, fand ich diese Sichtweise sehr interessant…

Im selben Emailalert war durch einen Kommentar auch dieser Artikel verlinkt. Hier erneut die zentralen Aussagen im Wortlaut:

“The French parliament has revised its 2004 rules on bioethics. The result, passed last year, is a section of the law that simply states: “Brain-imaging methods can be used only for medical or scientific research purposes or in the context of court expertise.” The revised law effectively bans the commercial use of neuroimaging in France (…)”

Seit 2011 ist es in unserem Nachbarland Frankreich per Gesetz verboten, bildgebende Verfahren für andere Zwecke als medizinische Anwendungen, wissenschaftliche Forschung und Gerichtsgutachten zu verwenden. Das bedeutet: Wer in Frankreich Neuromarketing anbietet, macht sich strafbar!

Nun die Begründung für dieses Gesetz:

“Commercial services, such as marketing and lie detection, are already starting to make use of brain-imaging techniques. These services are over-interpreting the science. Although neuroimaging could help us to understand how people make decisions, it should not be sold as something that can predict or judge human behaviour. A brain on its own tells us nothing. (…) If this business expands, it will become the most visible face of neuroimaging. We cannot afford to have public opinion turned against the development of neuroimaging because of overstated claims by commercial opportunists.”

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Veit Kern / pixelio.de

Neuromarketing ist in Frankreich nicht etwa deshalb verboten, weil man – wie in den USA – Verbrauchermanipulation und einen gezielt herbeigeführten Kaufrausch befürchtet. Man könnte sogar behaupten, das Gegenteil sei der Fall: Neurowissenschaftliche Methoden und ihre Ergebnisse sind nicht immer eindeutig und oft schwer zu interpretieren – eine Aussage des Artikels, der ich vorbehaltlos zustimme. Das kann, wenn man nicht aufpasst, zu Fehlinterpretationen und falschen Schlüssen führen. Im Falle von Neuromarketing, so die Annahme, werden diese Fehlschlüsse wahrscheinlich nicht nur häufiger passieren, als in der wissenschaftlichen Anwendung – immerhin ist Neuromarketer kein geschützter Beruf und jeder, unabhängig von seiner Ausbildung, kann Neuromarketing Dienstleistungen anbieten – sondern das Ergebnis dieser Fehleinschätzungen wird auch weithin sichtbar sein. Neuromarketing wird damit zum Aushängeschild der Neurowissenschaft, ohne dass die Neurowissenschaft für die Qualität des Neuromarketings bürgen kann – was wiederum schädlich sein könnte für deren Ruf. Überspitzt formuliert: Die Franzosen haben Neuromarketing nicht verboten, weil es den Konsumenten zum Kauf verführt. Sie haben es verboten, weil es Verführung verspricht, das Versprechen aber nicht halten kann (was wiederum rufschädigend für alle Neurowissenschaftler sein könnte).

Die beiden Artikel zeichnen jeder für sich ein sicherlich extremes, aber weitegehend konträres Bild. Neuromarketing: Unwiderstehliche, oder doch eher unwirksame Verführungstechnik?

Auch unabhängig von den verlinkten Artikeln, die in der Tat Extrembeispiele sind, findet man immer wieder sehr unterschiedliche, um nicht zu sagen widersprüchliche Aussagen, vor allem wenn es um Themen wie Leistungsfähigkeit, Nutzen und die ethische Vertretbarkeit von Neuromarketing geht. Unter anderem deshalb habe ich diesen Blog angelegt. Wie eingangs erwähnt, wurde in den letzten Jahren viel über Neuromarketing geschrieben – nicht nur in der Tagespresse und in Blogs, sondern zum Glück auch in der wissenschaftlichen Fachliteratur. Neuromarketing ist ein mehr und mehr beforschtes Gebiet, zu dem es nicht nur kontroverse Meinungen gibt, sondern auch wissenschaftlich überprüfte, belegbare Fakten. Ein Ziel dieses Blogs ist es, diese Fakten zu sammeln, zu diskutieren und zu archivieren.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin sehr an verschiedenen, gern auch uninformierten Sichtweisen zum Thema interessiert und würde mich über entsprechende Kommentare freuen. Doch bei manchen in den verlinkten Artikeln aufgeworfenen Fragen ist es sicher gut, sich auf objektivere Daten verlassen zu können:

o Kann Neuromarketing dazu beitragen die Effektivität von Werbung zu steigern? – Es sieht ganz danach aus (siehe Falk, Berkman & Lieberman, 2012).

o Macht Neuromarketing uns deshalb zu willenlosen Konsum-Zombies? – Nicht mehr, als es klassische Werbung ohnehin schon tut! Neuromarketing ist eine Technik, bei der für gewöhnlich klassische Werbemittel optimiert (siehe z.B. Vecchiato et al., 2011), und nicht gänzliche neue Werbeformen entwickelt werden. Den Kaufknopf im Kopf der Kunden gibt es nicht – auch wenn einige, die in dieser Branche arbeiten, sicherlich gut damit leben können, wenn potenzielle Auftraggeber etwas anderes glauben.

o Können die mittels Neuromarketing erhobenen Informationen fehlinterpretiert werden? – Selbstverständlich! Aber man kann das Risiko minimieren, wenn man es richtig macht (siehe Ariely & Berns, 2010).

o Kann ein Blog wie dieser dabei helfen, Neuromarketing zu etablieren und Mythen durch Fakten ersetzen? – Wir werden es sehen…

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Es heißt, Neuromarketing könne die Entscheidungsfreiheit von Konsumenten untergraben. Oder dass Neuromarketing bloßes Blendwerk sei. In diesem Blog möchte ich versuchen zu ergründen, was Neuromarketing tatsächlich – wissenschaftlich fundiert – zu leisten im Stande ist.

Referenzen

Ariely, D. & Berns, G. S. (2010). Neuromarketing: The hope and hype of neuroimaging in business. Nature Reviews Neuroscience, 11, 284-292.

Falk, E. B., Berkman, E. T.  & Lieberman, M. D. (2012). From neural responses to population behavior: Neural focus group predicts population-level media effects. Psychological Science, 23, 439-445.

Vecchiato, G., Astolfi, L., De Vico Fallani, F., Toppi, J., Aloise, F., Bez, F., … Babiloni, F. (2011). On the Use of EEG or MEG Brain Imaging Tools in Neuromarketing Research. Computational Intelligence and Neuroscience, article 3, 12 pages.