Was kostet Neuromarketing?

Was kostet Neuromarketing?

Es gibt in Deutschland noch immer ein paar Themen, die einfach tabu sind. Viele davon drehen sich ums Geld. Und das hat Folgen.
Auch fürs Neuromarketing.

Ich erinnere mich beispielsweise gut daran, wie ich mit den ersten Artikeln in Berührung kam, die neurowissenschaftliche Methoden zu Marktforschungszwecken einsetzten. Damals, das muss so etwa 2010/11 gewesen sein, war von Studienkosten um 30.000-40.000 Dollar die Rede.
Ich war überrascht und vielleicht sogar ein Stück weit schockiert –  vor allem, weil ich einen sehr guten Eindruck davon hatte, welcher Aufwand mit der Erhebung solcher Studien verbunden ist.
30.000 USD fand ich als geradezu vermessen, wie man beispielsweise hier in den Kommentaren nachlesen kann.

Selbstständigkeit

Selbstständigkeit… alles selbst machen. Und zwar ständig.

Mittlerweile arbeite ich seit Mai 2015 selbst hauptberuflich als “Neuromarketer” – was immer das im Einzelfall bedeutet. Ich biete neurowissenschaftliche Marktforschungsstudien gegen Geld an und finanziere damit meinen Lebensunterhalt. Ich habe also beide Seiten kennengelernt: die des Akademikers, der aus einer sicheren Anstellung mit festem Gehalt heraus solche Studien durchführt und die des Praktikers, der sich “am Markt” finanzieren muss.

Ein guter Zeitpunkt, um mal mit ein paar Gerüchten aufzuräumen…

Was kostet Neuromarketing – die Innensicht

Nähern wir uns dem Thema zunächst von der “Bedürfnis”-Seite: Was braucht ein Neuromarketer, um eine Neuromarketing Studie durchzuführen?

Da wäre zunächst einmal ein Auftraggeber. Das klingt vielleicht trivial, weil Auftragsforschung ohne Auftraggeber ja grundsätzlich nicht funktionieren kann, aber dieser Auftraggeber muss erstmal gefunden und von der eigenen Dienstleistung überzeugt werden.
Und das kostet.
Viel Zeit. Aber eben auch ein wenig Geld für Marketing, Reisekosten, Werbung, …

Ist ein Auftraggeber gefunden und eine Studie beschlossene Sache, dann entstehen unvermeidbar einige mit einer Studie in Zusammenhang stehende Nebenkosten – Ausgaben für Geräte, egal ob gekauft oder geleast, Probandengelder, Reisekosten, Labormiete, Kommunikations- und Druckkosten. Nicht unterschätzen sollte man Lizenzgebühren für die zum Einsatz kommende Software, die nicht selten mit mehreren tausend Euro im Jahr zu Buche schlägt. Und es bieten sich verschiedene Versicherungen an, um im Schadensfall nicht vor dem Ruin zu stehen.
Schließlich wird man für beispielsweise den Erwerb einer Kombination aus EEG und Eyetracking mindestens 30.000 Euro bezahlt haben – je nach Gerät sogar eher etwas mehr.

Damit ihr mal einen Eindruck bekommt: Die letzte Studie, die ich für einen meiner wichtigsten Auftraggeber durchgeführt habe – zugegeben, ein Extremfall – war allein mit Reisekosten (Flüge, Hotels) in Höhe von über 4.000 EUR (brutto) verbunden. Und nein, ich bin nicht erster Klasse geflogen und es waren auch keine 5 Sterne Hotels auf der Rechnung.

Was kostet Neuromarketing 2Was kostet Neuromarketing – die Außensicht

Hat man einmal einen Eindruck davon gewonnen, welche Ausgaben entstehen, relativieren sich die Preise für eine Studie schnell. Nichts desto Trotz: Der größte Posten ist noch immer die investierte Arbeitszeit, die man mal mehr, mal weniger gut vergütet bekommt.

Dies ist auch die Stellschraube, anhand derer man den finalen Preis am besten beeinflussen kann.

Ein Beispiel:

Vor kurzem habe ich einem mittelständischen Unternehmen dabei geholfen, den Werbeauftritt zu verbessern. Das Projekt bestand aus mehreren Teilschritten, die hier im Einzelnen nicht von Belang sind. Wichtig ist lediglich der letzte Schritt:
Eine Werbeagentur hatte drei unterschiedliche Varianten eines Werbespots gedreht. Von diesen dreien galt es im Rahmen einer Studie die wirksamste herauszufinden und gegebenenfalls Optimierungspotenziale aufzudecken – eine wenn man so will klassische Fragestellung im Neuromarketing.
Da bei Werbewirksamkeitsstudien das zu testende Marketingmaterial für jeden Probanden exakt das gleiche ist, ist die Auswertung bei solchen Fragestellungen relativ einfach. Probandenakquise, Datenerhebung und Auswertung wurden in insgesamt 6-7 Werktagen erledigt. Entsprechend wurden für die Studie „nur“ etwa 8.000 EUR netto in Rechnung gestellt – deutlich weniger als die so oft kommunizierten Preise. Und da waren die Probandengelder (immerhin auch ca. 1.000 Euro) schon inklusive.

Anders sieht die Sache aus, wenn ich eine Studie im Laden, direkt am Point of Sale durchführe.

PoS Studien haben den großen „Nachteil“ (aus Sicht desjenigen, der nachher die Analyse zu verantworten hat), dass Kunden individuelle Wege gehen. Anders als bei einem Werbespot, bei dem jeder Proband zu jedem Zeitpunkt das gleiche sieht, können zwei Kunden im Supermarkt ganz unterschiedliche Wege gehen und zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten am Produkt, das getestet werden soll, ankommen. Oder einer von ihnen übersieht das zu testende Marketingmaterial, weshalb er aus der Stichprobe fällt.
Solche Rahmenbedingungen führen dazu, dass zum einen mehr Probanden getestet werden müssen, zum anderen für jeden Probanden einzeln geschaut werden muss, wann er die zu testenden Informationen tatsächlich wahrgenommen und verarbeitet hat.
Das kostet Zeit.
Während eine Werbewirksamkeitsstudie unter idealen Bedingungen innerhalb von einer guten Woche durchführbar ist, braucht man für eine PoS Studie mindestens dreimal so lang.
Der Preis steigt jedoch nur selten linear.

Was kostet Neuromarketing 3Für gewöhnlich versuchen meine Kollegen und ich PoS Studien im Rahmen von etwa 22.000 Euro anzubieten. Dieser Preis wird auch meistens akzeptiert – denn die Unternehmen, die sich soetwas leisten wollen, sind ganz andere Ausgaben gewohnt.

So über den Daumen gepeilt…

Die Frage danach, wie viel „eine Neuromarketing-Studie“ kosten würde, ist also gar nicht so leicht zu beantworten, wie ihr seht. Erfahrungsgemäß schwanken die Preise je nach Studienziel zwischen ca. 8.000 und gut 30.000 Euro, gegebenenfalls nochmals erhöht durch widrige Bedingungen. Nächstes Jahr werde ich beispielsweise zwei Wochen lang im Ausland messen – das macht sich natürlich im Preis bemerkbar.

Grundsätzlich gilt: Findet die Studie im Labor statt, sind die Bedingungen kontrolliert, sieht jeder Proband das gleiche? – dann liegen wir im hohen vierstelligen oder sehr niedrigen fünfstelligen Bereich.

Wird es exotisch, komplex und aufwendig, wird es teurer.

Beliebt ist die Frage: Was war die teuerste Studie, die du je verkauft hast. Die Antwort: Circa 44.000 Euro. Wobei man fairerweise dazu sagen muss, dass es eigentlich ein Kombi-Paket aus zwei Studien war, die verkauft wurden, also war jede Einzelstudie erneut „nur“ 22.000 Euro teuer.

Interessant ist aber vielleicht auch die Gegenperspektive: Durch geschicktes Kombinieren verschiedener Studienziele bei gleicher oder ähnlicher Stichprobe habe ich auch schon Studien für 2.000 Euro durchgeführt. Das funktioniert aber nur, wenn man die Datenerhebung für viele Studien zusammen erledigen kann.

Ihr seht also: Auch wenn Neuromarketing immer seinen Preis wert ist… manchmal ist es geradezu preiswert.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

„Was kostet Neuromarketing?“ ist eine einfache Frage. Die simple Antwort ist: „Es kommt darauf an.“ Der Preis hängt von vielen Faktoren ab und schwankt im Normalfall zwischen 8.000 und 22.000 Euro. Im Einzelfall gibt es aber auch preiswertere (z.B. Werbewirksamkeitsstudien und A/B Tests) und teurere Studienziele (PoS Studien).