Wie gut ist Neuromarketing?

Wie gut ist Neuromarketing?

In den vergangenen Jahren haben verschiedene Neuromarketing Projekte immer wieder dafür gesorgt, dass der Einsatz neurowissenschaftlicher Methoden zu Marktforschungszwecken in die Schlagzeilen gerät. Da war zum einen die erste Untersuchung zur Wirkung starker Marken, die zeigte, dass es keine “Markenareale” im Hirn gibt, sondern dass Markenrepräsentationen auf bestehenden Emotionsnetzwerken aufbauen. Aus heutiger Sicht keine besondere Erkenntnis, aber schön es mal gezeigt zu bekommen. Dann gab es noch eine meiner Lieblingsstudien, die zeigt, dass wir Werbung verarbeiten, auch dann wenn wir sie nicht bewusst beachten. Diese Ergebnisse waren schon wichtiger, legen sie doch nahe, dass unser Hirn viel mehr macht, als uns eigentlich bewusst ist.

Und schließlich war da eine Studie, die zeigte, dass man mittels neurowissenschaftlicher Methoden den Erfolg von Musik vorhersagen kann. Drei Jahre in die Zukunft und besser, als es mit herkömmlichen Befragungsmethoden der Fall wäre.

Spätestens seit damals fragte man sich in der Marktforschungs- und Marketingpraxis: Gilt das auch für reale Marktzahlen? Kann ich mittels Neuromarketing den Markterfolg eines Produkts oder einer Werbemaßnahme vorhersagen?

Wie gut ist Neuromarketing (wirklich)?

(Oder ist das alles nur Blendwerk?)

Hinweise darauf, dass diese Technologie einen Mehrwert bietet, gibt es genug. Zeit, den ultimativen Beweis anzutreten!

Wie gut ist Neuromarketing? Finden wir es heraus!

In einer großangelegten Studie, zu der es hier auch ein interessantes Interview gibt, verglichen Vinod Venkatraman und seine Kollegen (2014) insgesamt 16 Variablen, die aus theoretischen Überlegungen heraus oder aufgrund von publizierten Vorarbeiten in der Lage sein sollten, reale Marktzahlen vorherzusagen. Hierbei handelte es sich umverschiedene Maße für emotionale Erregung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Belohnungserwartung und Annäherungsmotivation, die erhoben wurden, während Probanden Werbespots ansahen.

Verglichen wurde die Vorhersagekraft dieser Daten mit klassischen Befragungsmethoden, wie sie heute Standard sind.

Die Frage war nun, welche der Erhebungsmethode dazu in der Lage ist, die reale Marktelastizität vorherzusagen, bzw. ob es eine Methode gibt, die dies besser/genauer zu tun vermag als klassische Befragungen…

Befragungen sind gut, Neuromakreting ist besser – wenn man es richtig macht.

Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse für Neuromarketer ernüchternd. Von den getesteten 16 physiologischen und neurophysiologischen Variablen gab es nur eine einzige, die statistisch signifikant besser abschnitt, als traditionelle Befragungsmethoden. Wenig überraschend handelte es sich dabei um das Aktivitätsniveau im Nucleus Accumbens, dem in diesem Weblog schon vielfach erwähnten Kern im dopaminergen Belohnungserwartungssystem.

Wie gut ist Neuromarketing? Ziemlich!Petra Bork / pixelio.de

Wie gut ist Neuromarketing? Ziemlich!
Petra Bork / pixelio.de

Das bedeutet, dass traditionelle Marktforschungsmethoden viel besser sind als ihr Ruf. Weder Eyetracking noch EEG, weder implizite Verhaltensmaße noch physiologische Parameter wie die galvanische Hautleitreaktion konnten mehr Varianz aufklären, als einfache Befraguungen.

Der Todesstoß fürs Neuromarketing?

Nicht ganz. Wie bereits erwähnt, war Aktivität im Nucleus Accumbens der beste Prädiktor für reale Marktelastizitäten – und zwar mit deutlichem Vorsprung. Die fMRI Daten, die in der Studie verwendet wurden, klärten insgesamt 59,4% mehr Varianz auf, als Befragungsdaten.

Ein wirklich beachtlicher Vorsprung.

Aber Benny, du sagst doch immer, EEG Daten seien so toll. Was ist damit?

Natürlich wurden von Venkatraman et al. (2014) auch EEG Daten, und hier vor allem die in diesem Blog schon vielfach diskutierte frontale alpha Asymmetrie untersucht. Sie erklärte insgesamt 3% weniger Varianz, als herkömmliche Befragungen und war damit das drittbeste Maß, das in der Studie mit herkömmlichen Befragungen verglichen wurde. Nur implizite Befragungstechniken (und wie erwähnt fMRT) schnitten noch besser ab.

Ich gebe ehrlich zu, dass mich dieses Ergebnis ein wenig überrascht hat. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass die frontale alpha Asymmetrie fürs Marketing relevante Prozesse misst – ein paar davon habe ich auch schon im Rahmen dieses Blogs besprochen. Die frontale alpha Asymmetrie eignet sich vor allem dazu, Sequenzen innerhalb eines Werbespots aufzudecken, die auf den Zuschauer nicht so wirken, wie gewünscht – und genau da ist der Haken.

In der Studie von Venkatraman et al. (2014) wurden die Werbespots analysiert, indem die aufgenommenen Signale über die gesamten 30 Sekunden der Werbespotdauer zusammengemittelt wurden. Anders ausgedrückt: Unterschiede im zeitlichen Verlauf, wie sie gerade mittels EEG hervorragend erfasst werden können, wurden ignoriert.

Ich bin mir sicher, hätte man sich den zeitlichen Verlauf angesehen, wären deutlich stärkere Effekte fürs EEG ans Tageslicht gekommen. Meine eigenen Untersuchungen deuten jedenfalls darauf hin.

Aber das ist Stoff für einen anderen Blogbeitrag…

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Eine neue Studie zeigt: Traditionelle Marktfoschung durch direkte Befragung ist ziemlich gut. Nur fMRT Methoden zur Erfassung der Aktivität im dopaminiergen System schnitten bei der Vorhersage von realen Marktelastizitäten noch besser ab – dafür aber deutlich (fast 60%+). EEG versagte – wahrscheinlich weil Änderungen über die Zeit nicht berücksichtigt wurden.

Referenzen

Venkatraman et al. (2014). Predicting Advertising Success Beyond Traditional Measures: New Insights from Neurophysiological Methods and Market Response Modeling. Journal of Marketing Research, in press.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von S. Hofschlaeger / pixelio.de