Wie gut ist TV Werbung - aus Neuromarketing Sicht

Wie gut ist TV Werbung – aus Neuromarketing Sicht

Die große Stärke EEG basierter Neuromarketing Verfahren liegt darin, dass sie eine sehr hohe zeitliche Auflösung haben. Dies ist vor allem dann von Vorteil, wenn man sich Marketingmaßnahmen ansieht, in denen in schneller Abfolge unterschiedliche Informationen präsentiert werden.

Zum Beispiel TV Werbespots.

Es ist kein Zufall, dass sich die ersten Neuromarketing Unternehmen, übrigens genau wie die ersten wissenschaftlichen Studien zum Thema Neuromarketing, auf die Untersuchung von TV Werbung stürzten. Ein paar der aus dieser Periode stammenden Berichte habe ich auch schon auf diesem Blog besprochen – beispielsweise die Möglichkeit, auch sehr kurze Szenen zu identifizieren, sowie der Nachweis, dass diese kurzen Szenen tatsächlich einen Einfluss auf das Wahlverhalten von Konsumenten haben. Für manche Unternehmen ist Neuromarketing daher das Mittel der Wahl geworden, um TV Werbung zu untersuchen.

Weiß man aber, dass Neuromarketing die Wirksamkeit von TV Werbung vorhersagen kann, stellt sich einem unmittelbar die nächste Frage:

Wie gut ist TV Werbung aus Neuromarketing Sicht eigentlich?

Die Antwort kommt von einer finnischen Neuromarketing Agentur, Exakti Intelligence Ltd. Dem berühmten Ausspruch John Wanamakers folgend:

“Half the money I spend on advertising is wasted; the trouble is I don’t know which half”

untersuchten die Finnen mit Standard Neuromarketing Methoden, wie wirksam finnische TV Werbung eigentlich ist. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie dann in einem schwedischen Weblog, sodass die ganze Welt darüber diskutieren kann.

Und genau das möchte ich tun.

Denn: Zur großen Überraschung von Exakti Intelligence hatte Wanamaker unrecht. Schaut man sich TV Werbung aus Neuromarketing Sicht an, Sekunde für Sekunde, so sind gemäß der Ergebnisse der Finnen insgesamt 62% der untersuchten Werbezeit statistisch wirkungslos. Sie zeigen keinen Effekt. Es scheint, als wäre Wanamaker zu optimistisch gewesen: Nur 38% der ausgestrahlten Werbesekunden zeigen einen nachweisbaren Einfluss auf das Konsumentengehirn.

Soweit, so gut.

Aber Einfluss bedeutet nicht zwangsläufig, dass dieser Einfluss in die gewünschet Richtung wirkt. Soll heißen: Wir wissen, dass bestimmte Informationen, beispielsweise hohe Preise, auch dazu führen können, dass sich Kosnumenten von einem Produkt abwenden. Wenn 38% der ausgestrahlten Werbesekunden einen nachweisbaren Einfluss auf das Konsumentenhirn hatten, wie groß davon war der Anteil, der tatsächlich verkaufsförderlich ist?

470679_web_R_by_Burkard Vogt_pixelio.de

Zappen! Die Konsequenz einer Studie zur Wirkung von TV Werbung aus Neuromarketing Sicht
Burkhard Vogt / pixelio.de

Die Antwort ist ein Schlag ins Gesicht.

Nur 14% aller ausgestrahlten Werbesekunden motivierten den Zuschauer tatsächlich zum Kauf. Demzufolge sorgten ganze 24% der ausgestrahlten Werbesekunden dafür, dass sich Konsumenten von der Marke oder dem beworbenenen Produkt abwenden. Damit müsste Wanamaker seine Aussage deutlich korrigieren. Nicht “half the money I spend on advertising is wasted”. Es müsste heißen:

“More than half the money I spend on advertising is wasted. Even more critical, almost a quarter of it drives consumers into the arms of my competitors. The trouble is, only Neuromarketing can tell me which 14% are effective.”

Gut, Spaß beiseite. Was bedeuten diese Ergebnisse für die Werbebranche? Ist TV Werbung wirklich so schlecht?

TV Werbung aus Neuromarketing Sicht – meine ganz persönliche Meinung

Ich glaube, Exakti Intelligence Ltd. überschätzt den von sich gewählten Ansatz ein wenig, wenn Sie wirklich der Meinung sein sollten, dass insgesamt 86% der eingesetzten Werbegelder für TV Werbung verbrannt werden. Das hat vor allem damit zu tun, dass Neuromarketing – wenn richtig eingesetzt – zwar einen Mehrwert im Vergleich zu traditionellen Befragungsmethoden aufweist, es verrät uns aber längst nicht alles.

Wie ich andernorts bereits erklärt habe, messen wir mittels EEG vor allem die Motivation des Konsumenten, sich einem Produkt, einer Marke oder einer Dienstleistung zu nähern und diese weiter zu erkunden. Wie lang diese Motivation anhält und wie unmittelbar sie ausgelebt werden will, wissen wir nicht – und können wir bislang auch nicht abschätzen.
Es kann also durchaus sein, dass ein Werbespot ein Produkt oder eine Marke emotional aufläd, ohne direkt zum Kauf zu motivieren. Er schafft somit quasi die Voraussetzungen dafür, dass die Annäherungsmotivation am Point of Sale entsteht. Soweit ich das überblicken kann, ist das sogar die Hauptaufgabe der meisten Werbespots, denn anders als beispielsweise ein Onlineshop, bei dem der Produktkauf nur zwei bis drei Klicks entfernt ist, ist Fernsehen kein direkter Vertriebskanal.

Auch von der Annahme, dass Sequenzen, die selbst keine Annäherungsmotivation auslösen, nicht zum Abverkauf beitragen, muss man sich aus meiner Sicht verabschieden. Nicht die absolute Höhe der Annäherunsmotivation ist für einen Kauf entscheidend. Meine eigenen Untersuchungen zeigen, dass Veränderungen in der Zeit der Schlüssel zum Erfolg sind, dass ein Spot, der schwach beginnt und sich ein wenig steigert, durchaus besser performen kann als ein Spot, der stark beginnt und dann stark nachlässt.

Es kommt auf die Relationen an.

Einzig Effekte der Vermeidungsmotivation – und da stimme ich mit Exakti Intelligence Ltd. überein – sollten tunlichst vermieden werden. Dies ist ein Punkt, an dem ich glaube, dass TV Werbung aus Neuromarketing Sicht Nachholbedarf hat. Oder, wie Wanamaker sagen würde:

“Almost a quarter of the money I spend on advertising drives consumers into the arms of my competitors. The trouble is, I don’t know which quarter.”

Und hier kann Neuromarketing helfen.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Eine Studie der finnischen Exakti Intelligence Ltd. behauptet, dass 62% der TV Werbung aus Neuromarketing Sicht unwirksam seien. Schlimmer noch: Ganze 24% sorgen dafür, dass der Konsument sich abwendet, nur 14% animieren den Konsumenten zum Kauf. Meiner Meinung nach überschätzt die Studie Neuromarketing zwar, schlechte Werbung ist aber ein Problem.

 

Artikelbild auf der Grundlage eines Fotos von  Wolfgang Pfensig / pixelio.de