Branding bei Kindern

Branding bei Kindern

I am working with a very special target group: Our future. I am selling to kids.

Diesen Satz habe ich vor anderthalb Wochen auf der Shopper Brain Conference in Amsterdam gehört. Und er hat mich aufhorchen lassen.
Es steckt viel Wahres darin: Kinder und Jugendliche sind in Vielerlei Hinsicht eine besondere Zielgruppe. Sie werden rechtlich besonders geschützt. Unternehmen lassen besondere Sorgfalt walten, damit weder ihr körperliches Wohl noch ihre weitere Entwicklung gefährdet werden. Und auch die Öffentlichkeit hat stets ein Auge darauf, welche Produkte gut sind für unsere Kinder und welche Unternehmen mit falschen Versprechen oder kleinen Tricks versuchen einen schnellen Profit auf ihre Kosten zu machen.

Auch aus Neuromarketing Sicht sind Kinder und Jugendliche eine spannende Zielgruppe.
Zeit, sich diesem Thema einmal etwas mehr im Detail zu widmen.

Branding bei Kindern: Wie Logos auf die Kleinsten wirken

Neurowissenschaftlich gesprochen sind Kinder vor allem deshalb eine interessante Zielgruppe, weil sich ihr Hirn noch in der Entwicklung befindet. Vor allem die präfrontalen Hirnregionen, die mit der Inhibition von Verhalten und der Impulskontrolle zusammen hängen, erreichen erst im Laufe der Pubertät ihre volle Funktionsfähigkeit.
Ja, das bedeutet im Umkehrschluss, dass es relativ einfach ist, Kinder gezielt zu manipulieren.

Deshalb hat die NMSBA in ihren Ethik-Richtlinien auch ganz klar festgehalten, dass Neuromarketing an Kindern nur unter sehr speziellen Rahmenbedingungen erlaubt sein soll.Ganz ähnliche Richtlinien gelten übrigens auch, wenn man sich nicht marktforschend, sondern grundlagenwissenschaftlich mit Kindern beschäftigt.

Die Vorsicht und die mit der Durchführung neurowissenschaftlicher Untersuchungen an Kindern verbundenen Rahmenbedingungen könnten auch die wichtigsten Gründe dafür sein, warum es bis heute relativ wenig Forschung in diesem Feld gibt. Vor kurzem bin ich jedoch über eine Studie gestolpert, die eine löbliche Ausnahme darstellt.

Die im Jahr 2014 erschienende Studie mit Namen “Branding and a childs brain: an fMRI study of neural responses to logos” wurde von insgesamt zwölf Autoren verfasst, was ungewöhnlich viel ist, und beschäftigt sich erstmalig mit dem Einfluss von Branding bei Kindern.

Was passiert im kindlichen Gehirn, wenn es Logos von Lebensmittelmarken sieht?

Um die neuronale Verarbeitung von bekannten Logos bei Kindern zu untersuchen, erstellten Bruce et al. (2014) zunächste eine große Datenbank mit bekannten Logos von Lebensmittel-assoziierten Marken (z.B. McDonalds), nicht-Lebensmittel-assoziierten Marken (z.B. FedEx) und verschwommenen Markenbildern, die zwar in ihrer äußeren Form einem Logo ähnelten, bei denen aber nicht mehr zu erkennen war um welches Logo es sich handelt.
Kind branding little-102283_640In einer ersten Pilotstudie mussten Probdanden einschätzen, wie bekannt und wie beliebt die jeweiligen Marken waren. Auf dieser Basis wurde dann eine Teilauswahl getroffen, bei der sich die Marken mit und ohne Bezug zu Lebensmitteln statistisch nicht in Bezug auf ihre Bekanntheit und ihre emotionalen Eigenschaften unterschieden.

Dann wurden insgesamt siebzehn Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren ins Labor gebeten und ihnen wurden im fMRT liegend die unterschiedlichen Logos gezeigt.

Wie nicht anders zu erwarten zeigte die Untersuchung Aktivität in einem weit verzweigten Netzwerk. Hierzu gehörten vor allem Hirnareale, die aus der visuellen Objekterkennung bekannt sind, aber auch in frontalen Netzwerken die mit Handlungsmotivation (Orbitofrontalkortex) und, ja, auch mit kognitiver Kontrolle in Verbindung gebracht werden.
Das bedeutet, dass der auffordernde Charakter bekannter Logos auch schon bei Kindern seine Wirkung entfaltet, dass Branding bei Kindern wirkt und dass trotz der noch relativen Unterentwicklung dieser Bereiche eine gewisse Form der Impulskontrolle angesprochen wird.

Interessanter Weise wurden zwei Effekte, die aus der Branding Forschung bei Erwachsenen bekannt sind, nämlich Aktivität im Belohnungszentrum und Aktivität im Hippocampus, der Schaltstelle zum Gedächtnis, bei Kindern nicht gefunden. Was dies im Detail zu bedeuten hat, ist schwierig zu interpretieren. Einerseits fehlt Kindern natürlich die unmittelbare Erfahrung im Umgang mit den beworbenen Marken, was die fehlende Aktivität im Hippocampus erklären könnte. Außerdem haben Kinder im Alter von 10-14 Jahren vielleicht noch keine so starke Assoziation zwischen der Belohnung durch das mit der Marke verbundene Essen und dem Logo geknüpft. Logos sind ja letzten Endes immer auch Symbole.
Andererseits: Branding bei Kindern ist nachweislich effektiv. Sollte dies tatsächlich auf einen anderen Mechanismus zurückzuführen sein, als bei Erwachsenen?

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Praxis?

Die Studie von Bruce et al. (2014) ist eine Pionierarbeit, entsprechend vorsichtig sollte man mit den Ergebnissen umgehen.
Meiner Meinung nach zeigen die Ergebnisse aber recht deutlich, dass Branding bei Kindern einerseits funktioniert – sie werden motiviert sich mit der Marke auseinander zu setzen – andererseits aber auf etwas anderen Netzwerken beruht, als dies bei Erwachsenen der Fall ist. Dass dies mit dem spezifischen Thema – Nahrungsmittel – zu tun hat, bezweifle ich, denn gerade Nahrungsmittel sind dafür bekannt die Belohnungszentren des Gehirns stimulieren zu können.

Ich glaube, diese Ergebnisse zeigen vor allem, dass Branding die unmittelbare, sinnhafte Erfahrung im Umgang mit der Marke voraussetzt, um wirklich starkes Branding zu ermöglichen. Ein Kind mag zwar verstehen, was FedEx ist. Aber den wirklichen Wert dieses Dienstes wird es wahrscheinlich nicht begreifen.

Das wiederum würde bedeuten, dass Markenführung dann am effektivsten ist, wenn sie in Interaktion mit dem Verbraucher stattfindet.

Aber ich lasse mich gern von weiteren Studien eines besseren belehren.

Zusammenfassung: Das Wichtigste in 50 Wörtern

Branding bei Kindern beruht auf ähnlichen Netzwerken, wie bei Erwachsenen. Angesprochen werden vor allem die Objekterkennung, Netzwerke zur Handlungsmotivation und zur Impulskontrolle. Der Hippocampus (Langzeitgedächtnis) und das Belohnungserwartungszentrum sind bei Kindern im Unterschied zu Erwachsenen nicht aktiv. Warum das so ist? Keine Ahnung! Vielleicht fehlt die direkte Erfahrung im Markenumgang.

Referenzen

Bruce, A. S., Bruce, J. M., Black, W. R., Lepping, R. J., Henry, J. M., Cherry, J. B. C., … (2014). Branding and the child’s brain: an fMRI study of neural responses to logos. Social, Cognitive and Affective Neuroscience, 9, 118-122.